Zehn Jahre alt...
von Elaine, über Ungewollte Kinderlosigkeit, Gesellschaft, Leben
… wäre unser erstes Kind inzwischen, wenn alles nach Plan gegangen wäre.
Kürzlich hatte ich wieder mal eine richtig schwierige Schlafphase. Wenn die schlechten Nächte mehr als sieben Tage anhalten, schlägt mir das zuverlässig aufs Gemüt. So auch diesmal. Ich hatte drei Wochen lang kaum jemals sechs Stunden Schlaf pro Nacht bekommen und war entsprechend müde. Die Welt ist dann grundsätzlich weniger hell als an fitten Tagen.
Wir waren zu einer Hochzeit eingeladen gewesen. Nach zwei gesellschaftlich eher ruhigen Jahren – mit allen Vor- und Nachteilen – finden nun wieder grosse Feste statt. Und wir, die wir weniger der sozialen Norm entsprechen, werden genau damit auch wieder häufiger konfrontiert. Die slowenische Bloggerin Klara wurde letzthin an einem Klassentreffen gefragt, wie alt ihre Kinder inzwischen seien. Was ich richtig schlimm fand! Witzigerweise passierte mir an dieser Hochzeit etwas Ähnliches. Eine Person, die ich zum allerersten Mal traf, fragte mich: “Und, wie viele Kinder hast du?” Inzwischen schockiert mich das nicht mehr. Leider, muss ich sagen, denn dieses Verhalten ist relativ verbreitet. Ich konnte ein ziemlich offenes Gespräch mit dieser Frau führen. Es traf mich nicht mehr so wie früher, so dass ich etwas “Aufklärungsarbeit” leisten konnte. Meine Gesprächspartnerin entschuldigte sich halbwegs und merkte auch an, dass sie mich und meine Geschichte ja gar nicht kenne…. konnte es aber dann doch nicht lassen, nachzufragen, ob Pflegekinder nicht vielleicht etwas für uns wären?
Mein Mann sass neben einem Paar, das ebenfalls keine Kinder hat. Und die Frau, die bei mir ins Fettnäpfchen getreten war, hat selbst eine Schwester, der aufgrund einer Krebserkrankung die Gebärmutter entfernt wurde. Wir sind nicht allein. Ich fühle mich zum Glück auch längst nicht mehr allein. Und doch. Die Norm ist eine andere.
Das alles war dem Moment vorausgegangen, in dem ich realisierte, dass unser Kind nun zehn Jahre alt wäre. Da liefen dann doch die Tränen.
Es gibt natürlich auch Gutes. Wir wohnen nach einem Kantonswechsel seit zehn Jahren im selben Ort. Hier fühlen wir uns inzwischen richtig daheim. Die Wohnung ist wunderschön. Wir haben neue Freunde gefunden. Unter anderem auch solche, die ebenfalls kinderlos sind. Das ist wichtig und gut. Wir haben einen tollen Garten, der uns mit frischen Beeren versorgt. Wir sind schnell in der Stadt, aber auch rasch in der Natur. Zudem mag ich diesen Sommer bisher sehr, weil einen die Hitze (noch?) nicht so erschlägt wie in anderen Jahren. Und es gäbe durchaus noch mehr Positives aufzuzählen :-).
Womit wir einmal mehr bei einem “Sowohl als auch” wären.
Das Schwierige neben dem Schönen. Das Leben eben.
Foto: Elaine
NÄCHSTER ARTIKEL
Eine inspirierende Fotografin
Um anonym zu kommentieren: Kommentar schreiben, Pseudonym und E-Mail in die Felder eintragen und bei "Ich möchte lieber als Gast schreiben" das Häkchen setzen.