Abschied als Lebenskrise
von Elaine, über Abschied vom Kinderwunsch, Trauer, Schmerz, Hoffnung, Ungewollte Kinderlosigkeit
Wenn man keine Kinder bekommen kann, obwohl man sie sich so sehr wünscht, kann das zu einer Lebenskrise führen. Das las ich erst kürzlich irgendwo. Und jetzt, mit etwas Abstand zu unserem Schlussstrich unter die Kinderwunschbehandlung, kann ich sagen: es stimmt. Um ehrlich zu sein: das begann nicht erst mit dem Schlussstrich, schon davor. Als ich noch zu nah dran war, sah ich das nicht. Ich wusste nur, dass ich kämpfen musste, kämpfen wollte, zurück in mein Leben, wusste, dass ich ein gutes, schönes, lebenswertes Leben wollte, und fertig. Jeder einzelne Tag musste in Angriff genommen und gelebt werden, auch wenn es zuerst schwer war. Ich machte weiter, zählte die Fortschritte, führte meine Dankbarkeitslisten, liess mich von meinem Mann umarmen und… atmete.
Lebenskrise. Wie kann ein Wort derart viel beinhalten? Es klingt nicht nach viel, oder? Ein so kleines Wort mit vier Silben. Und doch ist es so präzis. Es sagt alles aus und doch nichts. Der Duden beschreibt die Krise als Höhe- und Wendepunkt einer schwierigen Zeit. Und ich notiere hier mal, wie sich meine persönliche Krise angefühlt hat, nachdem sie schon einige Monate zurückliegt:
Eine tiefe, existentielle Unzufriedenheit; ein Unwohlsein, emotional und körperlich; ein Nicht-Mehr-So-Leben-Wollen oder Nicht-Mehr-Auf-Diese-Art-Leben-Können; Orientierungslosigkeit: was soll ich jetzt?; ein Verloren-Fühlen, Verloren-Sein, auch Einsam-Fühlen; Schatten, die überriesig scheinen; über-leben anstatt zu leben; sich benachteiligt fühlen, übergangen fühlen, vielleicht sogar betrogen fühlen?; manchmal: es fast nicht aushalten können, davon laufen wollen, sich wegbeamen lassen wollen, auf irgendeine Insel, in irgendeine Hängematte; etwas ändern wollen, und es am Ende dann auch tun.
Was ich hier aufgelistet habe, ist… schwer. Es sind gewichtige Worte, düstere Begriffe, aber ich will sie schreiben, trotz allem. Sie sind oder waren in meinem Fall auch Wirklichkeit, und nur, weil man nicht darüber schreibt oder redet, gehen sie nicht weg. Es ist, wie es ist. Es war, wie es war.
Inzwischen bin ich aus dem schattigen Tal aufgestiegen auf eine etwas erhöhte Alp. Die Wanderung ist noch nicht zu Ende. Auf dem Gipfel bin ich noch längst nicht angekommen, aber ich habe inzwischen eine etwas bessere Aussicht, kann im Rückblick einiges aus der Vogelperspektive sehen.
Eine Krise trägt in sich, dass sie zeitlich beschränkt ist. Sie ist wie ein Übergang zwischen zwei Welten. Oder ein Tal zwischen zwei Bergen. Oder ein Wendepunkt in einer schwierigen Zeit. Einmal ist der tiefste Punkt erreicht. Und dann geht es aufwärts.
Diese Tiefe zu kennen, macht die Höhen umso wertvoller, die Aussicht umso schöner. Ich geniesse bewusster.
Und Euch, die Ihr vielleicht noch im Tal wandert, möchte ich sagen: gebt nicht auf. Wandert weiter. Geht weiter. Trinkt einen Schluck Wasser, esst einen Apfel. Macht zwischendurch Pause. Aber geht weiter. Es geht wieder bergauf.
Foto: Elaine
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