Alte Ziele, neue Ziele...
von Elaine, über Reproduktionsmedizin, Abschied vom Kinderwunsch, Sinn, Trauer
Wenn eine Schwangerschaft nicht so rasch eintritt, wie man sich das vorstellt, dann ist es ein wenig, als würde das Navigationsgerät die Route neu berechnen. Als müsse man einen Umweg nehmen, weil sich auf dem direktesten Weg eine Baustelle befindet. Der Umweg kann bedeuten, dass es einfach viel länger dauert. Für viele bedeutet es aber vor allem, dass das Ziel nur mit Unterstützung erreicht werden kann. Mit Hilfe der Reproduktionsmedizin. Das ist hart. Vor allem, wenn alle anderen scheinbar mühelos bereits am Ziel angelangt sind und einem davon hübsche Ansichtskarten und Fotos schicken. Da sind die Geburtsanzeigen. Aber auch Weihnachtskarten. Solche mit der frohen Kinderschar in Nikolausmützen. Postkarten vom Ziel. Das kann schmerzen. Aber man hat immer noch die Hoffnung, ans Ziel zu gelangen.
Was, wenn plötzlich klar wird, dass es gar nichts wird mit einer Schwangerschaft? Was macht dann das Navi? Was wird aus der Fahrt? Fährt man überhaupt weiter? Oder macht man eine Pause und ruht sich aus? Sucht nach einer Unterkunft? Schaut auf der Karte nach, welche anderen Ziele man anfahren könnte?
Für mich war die Zeit zwischen dem “Löschen” des ersten Ziels, also einer Schwangerschaft, und der Entscheidung für ein neues Ziel am schwierigsten. Denn das erste Ziel “löscht” sich nicht so leicht. Damit sind unglaublich viele Gefühle verbunden, in einem Wort: Trauer. Und das dauert. Um eine junge Frau zu zitieren, die ich kürzlich über die Trauer reden hörte (sie hatte einen geliebten Menschen verloren): Da sind plötzlich Gefühle, die viel zu gross scheinen für einen selbst. Fragen, auf die einem niemand eine Antwort geben kann.
Man macht sich auf die Suche. Nach Antworten. Und vielleicht findet man auf dieser Suche sich selbst. Und wenn man sich gefunden hat, weiss man dann auch wieder, was das nächste Ziel sein soll. Bei mir war es so. Sobald ich wieder bei mir selbst war, wusste ich auch wieder, was ich im Leben sonst noch machen könnte. Davor war das irgendwie alles ausgeblendet. Es gab nur das eine Ziel, ein Baby. Alles andere verblasste gegenüber diesem einen Ziel. Was es umso härter machte, als ich diesen Wunsch dann aufgeben musste. Über die Trauer habe ich schon geschrieben. Ein Jahr und acht Monate ist es her, seitdem wir unseren Schlussstrich ziehen mussten. An dieser Stelle möchte ich Euch zurufen, dass es möglich ist. Es ist möglich, ein neues Ziel im Leben zu finden. Einen neuen Sinn. Das geht nicht über Nacht. Aber es geht. Es ist möglich, wieder fröhlich zu sein. Munter. Energie zu haben. Dinge anzupacken. Gebt nicht auf!
Foto: Elaine
NÄCHSTER ARTIKEL
Pastell
Um anonym zu kommentieren: Kommentar schreiben, Pseudonym und E-Mail in die Felder eintragen und bei "Ich möchte lieber als Gast schreiben" das Häkchen setzen.