Aufhören können
von Elaine, über Abschied vom Kinderwunsch, Ungewollte Kinderlosigkeit, Weisheit, Reproduktionsmedizin, Gesellschaft
Heute melde ich mich mit einem Zitat, über das ich Anfang Jahr stolperte, und das mir sehr treffend scheint, ganz allgemein, aber besonders im Kontext des Kinderwunsches und der Reproduktionsmedizin:
Aufhören können, das ist nicht eine Schwäche, sondern eine Stärke.
Ingeborg Bachmann
Die Gesellschaft macht es uns mit ihrer “Gib nicht auf”-Mentalität nicht leicht, die Entscheidung zu treffen, wann es genug ist. Genug Untersuchungen, Operationen, genug Behandlungszyklen, genug Fehlgeburten. Heute ist doch alles möglich, heisst es. Theoretisch vielleicht schon. In der Praxis haben wir alle begrenzte Ressourcen. Körperlich. Emotional. Finanziell. Wir alle haben nur einen Körper. Ein Leben. Und eine Gesundheit, der es ebenfalls Sorge zu tragen gilt. Ausserdem beweist die Statistik, dass die Reproduktionsmedizin weit weniger erfolgreich ist, als viele denken.
Meiner Meinung nach ist der Entscheid zum Schlussstrich unter die Behandlung einer, der sehr viel Kraft und Mut erfordert. Mehr als derjenige, mit der Behandlung fortzufahren. Das jedenfalls ist meine Erfahrung. Und das will etwas heissen, denn die Behandlung selbst ist ja bereits sehr kräftezehrend.
Sehr viel Respekt habe ich übrigens auch davor, wenn jemand beschliesst, gar nicht erst mit Behandlungen anzufangen. Jede Entscheidung wurde sicher sorgfältig abgewogen und nicht leichtfertig gefällt. Ich finde, dass man darauf stolz sein darf. Weil man damit vielleicht die eigene Gesundheit rettet. Oder die Ehe. Auch wenn man es sich ursprünglich ganz anders vorgestellt hatte, nämlich sicher nicht so, dass der Weg mit leeren Armen endet.
Oder was meint Ihr?
Gerade erst war der vierte Jahrestag unseres letzten Behandlungszyklus. Fast hätte ich das vergessen (!), hätte nicht Infertile Phoenix über ihren eigenen vierten Jahrestag berichtet, der fast zeitgleich mit meinem ist. Emotional blieb es in dieser Hinsicht also diesmal ganz ruhig bei mir. Vielleicht macht das der/m einen oder anderen von Euch ja etwas Mut?
Damals war diese Entscheidung für mich eine sehr schwierige. Und die Zeit danach war alles andere als leicht. Stichwort: Trauer. Aber darüber findet Ihr auf diesem Blog schon genügend Texte. Heute bin ich sehr froh, dass mein Mann und ich damals so entschieden. Denn hätten wir das nicht getan, dann stünde ich jetzt nicht da, wo ich heute bin.
Meine Energie stecke ich inzwischen in andere Ziele. Meinen Plan B, wenn man so will. Wobei sich das überhaupt nicht mehr nach B anfühlt, sondern eigentlich wie ein toller Plan A! Ich gestalte mein Leben sehr bewusst so, wie ich es möchte. Auch das kostet Kraft, weil es eben nicht Mainstream ist, sondern anders aussieht als bei vielen Menschen in meinem Umfeld. Aber es fühlt sich für mich richtig an. Weil ich selber “Kapitän” bin - welch ein Unterschied zum Ausgeliefert-Sein in der Kinderwunschbehandlung! Ich gehe meinen Weg, und wenn mir bisher Zweifel kamen, dann erhielt ich eigentlich jedes Mal unerwartet im richtigen Moment ein positives Feedback oder eine Ermutigung, die mich mit neuem Elan weitermachen liess. Klar, manchmal kommt mir etwas quer oder ich schaffe nicht, was ich mir vorgenommen habe. Auch sind meine Schritte vielleicht nur ganz kleine aufs Mal. Aber Hauptsache, ich bewege mich in die richtige Richtung :-)!
Wie sieht das bei Euch aus?
Egal, wo Ihr gerade steht auf Eurem Weg, wünsche ich Euch viel Mut und ein erholsames Osterwochenende!
Foto: Elaine
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