Elaine ohne Kind

Über den Abschied vom Kinderwunsch und das Leben danach

Sonntag

14

Januar 2018

Der Winter der Seele

von Elaine, über Abschied vom Kinderwunsch, Trauer, Weisheit, Hoffnung

In der Trauer gab es Phasen, in denen ich mich fühlte wie im tiefsten Winter. Keine Blumen, kein frisches Grün, überhaupt scheinbar sehr wenig Leben. Bildlich gesprochen. Innerlich zog ich mich so sehr zurück, wie wir Menschen es manchmal im Winter tun, wenn das Wetter allzu unwirtlich ist.

Mit dem meteorologischen Winter kann ich mich in der Regel gut arrangieren. Ich mag es, Kerzen anzuzünden, warmen Tee zu trinken und mich in weiche Decken zu kuscheln. Ich liebe es, gemütlich ein gutes Buch zu lesen im Wissen, dass ich draussen nichts verpasse. Den “inneren Winter” mochte ich zu Beginn sehr viel weniger.

Irgendwann, ich glaube es war in einem Urlaub, las ich etwas von Parker J. Palmer. Er beschrieb den Winter der Seele so, dass dieser die (innere) Landschaft freilegt und uns dadurch die Möglichkeit gibt, uns selbst und einander klarer zu sehen. Er ermöglicht uns, auf den Grund unserer Seele zu blicken. Ein bisschen so wie das Laub, das nicht mehr da ist und den Blick auf die wunderschöne Grundstruktur eines Baumes freigibt. So dürfen wir im Winter der Seele auch unsere Grundstruktur erkennen. Tatsächlich war es für mich ein wenig so. Im inneren Winter, in der Zurückgezogenheit der Trauer, ergab sich die Auseinandersetzung mit mir selbst irgendwie von alleine. Ich entdeckte wieder, wer ich überhaupt bin, ich lernte, meinem Ich liebevoller zu begegnen. Und ich lernte am Ende, anzunehmen, was ist. Mich, meine Eigenschaften und meine Kinderlosigkeit.

Als emotional der Frühling einzog - zuerst nur zaghaft - da ich hatte ich eine ganz neue Basis. Ich wusste, wer ich bin. Ich wusste, was mir gut tut. Und ich hatte gelernt, Prioritäten zu setzen, damit ich mein Wohlbefinden gewährleisten konnte, auch in schwierigeren Zeiten. Das ist, als hätte ich einen ganz neuen Boden unter die Füsse bekommen. Als sei ich viel tiefer gegründet, als wären meine Wurzeln bis hinunter ins Grundwasser gewachsen, wo einem auch eine längere Trockenzeit nicht viel anhaben kann. Ich muss nichts mehr beweisen. Ich darf einfach sein.

Wie geht es Euch so? Fühlt Ihr Euch vielleicht innerlich im Winter? Das ist anfänglich alles andere als angenehm. Ich erinnere mich nur zu gut. Trotzdem: Ich möchte Euch ermuntern, die Chancen des Winters zu ergreifen. Eure Grundstruktur zu entdecken. Genau hinzuschauen. Und dann schlicht und einfach diejenigen zu werden, die Ihr seid.

Foto: Elaine

Elaine

lebt in der Schweiz. Sie liebt die Natur, besonders im Frühling. Sie mag Spaziergänge, Wanderungen, die Berge, das Meer, Bücher, Kunst, Flohmärkte, Brockenhäuser.

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