Die Frage der Fragen
von Elaine, über Gesellschaft, Ungewollte Kinderlosigkeit
Heute widme ich mich einer Frage, die oft gestellt wird, die wir ungewollt Kinderlosen jedoch meist als schmerzhaft empfinden: “Hast du Kinder?” Schon länger überlege ich, ob es für uns darauf überhaupt eine gescheite Antwort gibt?
Vor drei Jahren war ich zu einer Hochzeit eingeladen, an der ich alte Bekannte wiedersah. Irgendwann am Abend beschloss ich, zu ihrem Tisch zu gehen und sie zu grüssen. Es ist ein Paar im Alter meiner Eltern, das ich als Kind und Jugendliche gut gekannt hatte. An jenem Abend war die Zeit bereits fortgeschritten, und vermutlich hatte der Mann schon einige Glas Wein intus. Wir redeten ein wenig. Das Paar hat inzwischen mehrere Enkel, was ich indirekt durch andere erfahren hatte. Irgendwann im Gespräch kam die Frage: “Und Ihr? Kinder?”
Puh. Das war noch zu einer Zeit, als diese Frage wirklich schwierig für mich war. Ich war etwas überfordert. Da wir uns früher recht gut gekannt hatten, entschied mich aber, ehrlich zu sein. Ich sagte etwas in dem Sinne, dass wir gerne Kinder hätten, aber dass es noch nicht geklappt hätte. Dann passierte etwas für mich ganz Schreckliches: der Mann machte einen Witz und lachte. Ich könnte den Witz noch heute wortgetreu wiedergeben, möchte dies an dieser Stelle aber nicht tun. Noch heute kommt Wut in mir hoch, wenn ich daran denke. Es dauerte Tage, bis ich mich von diesem Zwischenfall erholt hatte.
In den sieben Jahren meiner Ehe wurde mir die Frage nach Kindern unzählige Male gestellt. Je länger wir versuchten ein Kind zu bekommen, desto schlechter verkraftete ich sie. Das besserte sich nicht sofort, als wir den Kinderwunschweg verliessen. Noch vor einem halben Jahr wäre ich in Tränen ausgebrochen, wenn mich das jemand gefragt hätte. Inzwischen vertrage ich die Frage ein wenig besser. Ich bin schon etwas “heil” geworden.
Trotzdem finde ich die Frage immer noch problematisch. Sie wird im Smalltalk als einfache Einstiegsfrage benützt. Viele Menschen erzählen ja nur zu gerne von ihren Kindern. Als genau das - ein Smalltalkinstrument - versuche ich sie seit einiger Zeit auch zu sehen. Aber auf ein Thema angesprochen zu werden, das einen seit Jahren auf so schmerzhafte und intime Weise begleitet, ist doch auch etwas sehr Persönliches. Weil das Gespräch unwillkürlich stockt, wenn man mit “Nein” antwortet. Das war lange meine Antwort, ein schlichtes “Nein”. Ich merkte allerdings, dass das den Gesprächspartner oft überfordert. Da kommen manchmal weitere Fragen oder irgend eine Platitüde, die völlig fehl am Platz ist. Beides ist schwierig für mich. Wenn weitere Fragen kommen, möchte ich sie in der Regel nicht beantworten.
Was mich in letzter Zeit zur Strategie geführt hat, von Anfang an proaktiv zu sagen, dass wir keine Kinder haben können. Weil dann gewisse Fragen schon mal aus der Welt sind.
Wie geht Ihr um mit der Frage, ob Ihr Kinder habt?
Foto: Elaine
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