Elaine ohne Kind

Über den Abschied vom Kinderwunsch und das Leben danach

Montag

29

August 2016

Die richtige Dosis

von Elaine, über Abschied vom Kinderwunsch, Gesellschaft, Ereignisse

Vor einigen Wochen traf ich eine langjährige Freundin, die ich aus geografischen Gründen nur recht selten sehe. Aufgrund ihrer Diagnose musste davon ausgegangen werden, dass sie und ihr Mann kinderlos bleiben würden. Ich war traurig für sie. Jedoch war sie für mich auch eine der wenigen, die mich verstand, weil sie keine Kinder hatte. Ich freute mich daher besonders auf dieses Treffen mit einer “Verbündeten” in der ungewollten Kinderlosigkeit.

Ihr ahnt vielleicht, was jetzt kommt: Das “Wunder” ist geschehen, und ich erfuhr es an jenem Tag. Nachdem ich mich sehr auf das Treffen gefreut hatte, verbrachte ich den Nachmittag damit, eine Fassade aufrecht zu erhalten. Diese Freundin weiss um meine Situation. Es war für sie nicht leicht, mir zu sagen, dass sie schwanger ist. Und trotzdem kam sie nicht umhin, über das zu reden, was sie eben so beschäftigt: ihre Gelüste in der Schwangerschaft. Die App, die ihr erklärt, was gerade in ihrem Bauch vor sich geht. Ich freute mich für sie, und doch war es schwer. Mir kam der Gedanke: wieder jemand weniger, der mich versteht. Wird unsere Freundschaft bestehen bleiben, wenn sie zum Club der Mütter gehört? Ich versuchte mir nichts davon anmerken zu lassen. Ich musste ihr versprechen, ihre Schwangerschaft vorderhand noch geheim zu halten. Weil es noch ein bisschen zu früh war. Und weil sie - das kann ich nachvollziehen - es den Leuten selber sagen wollte.

Da ich schon in der Nähe war, ging es danach direkt weiter zu meiner Familie. Ich traf bei meinen Eltern ein, traurig und deprimiert, und ich konnte ihnen nicht sagen, wieso. Für nach dem Abendessen war vorgesehen, dass ich meine Schwester mit ihrem Baby besuchte. Ich hielt den Termin aufrecht, weil ich davon ausging, dass ich am Sonntag Ruhe haben würde von Babys und Schwangerschaften. Es war ein Ausflug geplant, und das Wetter versprach gut zu werden. Also ging ich hin, hielt meinen Neffen eine Weile in den Armen und schwatzte ein bisschen mit meiner sehr müden Schwester, blieb aber nicht lange.

Dann der Sonntag. Das Wetter war nicht gut genug für den Ausflug. Was übrig blieb, war ein kleiner Spaziergang. Der war schön, aber nicht dasselbe wie der Ausflug, auf den ich mich gefreut hatte. Wir waren früh zurück. Was mich unverhofft in den Genuss brachte, ein weiteres Baby in meinen Armen zu halten. Weil eine gute Freundin nebenan zu Besuch war, machte sie einen kleinen Abstecher zu uns. In meinem Kopf freute ich mich schon, sie und das Kleine zu sehen. Aber emotional war die Grenze jetzt definitiv erreicht.

Nach jenem Wochenende kämpfte ich noch bis am Dienstag. Ein Teil von mir sah die Fortschritte: Ich konnte mich mit meiner Freundin freuen. Für sie, ihren Mann, aber auch für ihre Eltern, die jetzt unerwartet doch noch Grosselten werden. Ich war und bin nicht neidisch. Das ist eine Erleichterung. Ich möchte nicht mehr tauschen, so wie ich das gerne vor einigen Jahren getan hätte, wenn Freundinnen ihre guten Neuigkeiten verkündeten. Auch konnte ich an dem Abend meinen Neffen in den Armen halten und es war in dem Moment okay. Mein Pech war nur der Besuch der Freundin mit diesem dritten Baby. Das war einfach zu viel.

Wenn es sich irgendwie machen lässt, dosiere ich Babys und Schwangerschaften vorsichtig. An manchen Wochenenden mag ich keine Familien mit kleinen Kindern treffen, und das gestehe ich mir auch zu. Aber manchmal lassen sich Überraschungen eben nicht vermeiden.

Wie macht Ihr das so mit der Dosierung?

Foto: Elaine

Elaine

lebt in der Schweiz. Sie liebt die Natur, besonders im Frühling. Sie mag Spaziergänge, Wanderungen, die Berge, das Meer, Bücher, Kunst, Flohmärkte, Brockenhäuser.

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