Dieser Herbst
von Elaine, über Ungewollte Kinderlosigkeit, Abschied vom Kinderwunsch, Leben, Heilsam, Hoffnung
Ich darf loslassen.
Wie der Baum, der seine Röte ablegt
und seine kühlen feuchten Wurzeln
in die Verschwiegenheit der Erde verzweigt.
Ich darf ruhen.
Wie der Mond am Saum der Nacht
der silbern sich auf stille Gräser bettet
zum Atemholen unter der fliehenden Hand der Zeit.
Ich darf sein.
Wie der Nebel auf den Wassern
wie der Rauhreif am Fenstergeviert
wandernd unter geduldigen Träumen.
Giannina Wedde
Dieses Gedicht hat mich sehr angesprochen. Vermutlich, weil es so gut zur Jahreszeit passt, aber auch, weil es auf natürliche Weise vom Loslassen spricht, mit dem wir als ungewollt Kinderlose ja sehr heftig konfrontiert sind. Es vermittelt zudem einen wunderbaren Frieden - spürt Ihr den auch?
Inzwischen durfte ich lernen, dass das Loslassen viel damit zu tun haben kann, etwas Neues anzupacken. Seine Hände zu öffnen und mit etwas anderem zu füllen. Nach einer gewissen Zeit natürlich, so schnell geht das nicht. Ich habe zuerst tief getrauert. Mir half es damals jedoch, einen neuen Fokus zu haben, auch wenn die Veränderung langsam vonstatten ging und ich nicht von einem Tag auf den anderen aufhörte, an meine Kinder zu denken. Diese langsame Verschiebung ist rückblickend gut sichtbar hier auf dem Blog. Und nein, das ist nicht Verdrängung oder Ablenkung. Es bedeutet schlicht, dass man etwas verändern darf, wenn man merkt, dass es so nicht mehr stimmig ist. Denn wir haben ja nur dieses eine Leben! Ihr werdet schon spüren, ob und wann es Zeit dafür ist. Und dass man seine Energie irgendwann wieder in etwas anderes stecken darf. Auch wenn unsere Kinder, die nicht mehr sind oder vielleicht gar nie waren, immer ein Teil von uns bleiben werden.
Im Moment übe ich mich im Loslassen im Kleinen. Ich sortiere mein Leben quasi neu. Das betrifft vor allem Dinge, die noch aus einer anderen Lebensphase stammen, die zu einer anderen Elaine gehörten, aber heute nicht mehr zu mir passen. Dinge aus der Zeit, bevor ich realisierte, dass es schwierig werden könnte mit dem Kinder-Kriegen. Gegenstände aus einer Phase, in der mein Sozialleben noch völlig anders aussah. Ich will nicht werten: weder früher noch heute sind besser, sie sind einfach, was sie sind. Nur die Zeit dazwischen war schwierig… Wenn ich diese Dinge in die Hand nehme, bin ich dankbar. Dankbar für die Zeit, in der sie mir nützlich waren, dankbar vielleicht auch für den Menschen, der mir den Gegenstand damals geschenkt hat, für die Liebe, die damit verbunden ist. Aber jetzt darf er weiterziehen, um jemand anderem das Leben zu erleichtern oder zu verschönern, anstatt bei uns auf dem Dachboden oder im Keller Staub zu fangen. Das fühlt sich gut an - ich werde dadurch ein Stückchen leichter und unbeschwerter.
Und dann ist da noch das Sein… wie der Nebel auf den Wassern… Ich gebe zu: das ist etwas, das mir nicht immer so gut gelingt. Wie oft renne ich irgendwelchen Dingen hinterher, die ich meine erledigen zu müssen - die fliehende Hand der Zeit ;-). Manchmal muss es mich für ein paar Tage ins Bett hauen, damit ich Ruhe gebe - wie zum Beispiel kürzlich, als es mich so richtig erwischt hat und ich wirklich komplett flach lag. Zum Glück passiert das nicht allzu oft ;-). Der Herbst ist eine Einladung, ruhig zu werden, auf sich wirken zu lassen, was ist, und einfach zu sein. Eine Kerze anzuzünden, sich in eine weiche Decke oder Jacke zu hüllen und es sich mit Wohlfühlmusik schön zu machen.
Oder was meint Ihr?
Foto: Elaine
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