Ein erster Bericht
von Elaine, über Leben, Heilsam, Hoffnung, Sabbatical
Ihr Lieben,
inzwischen bin ich schon seit über 1 1/2 Monaten im Sabbatical. Da Ihr gerne davon lesen wolltet, kommt heute mein erster Bericht :-).
Es hat eine Weile gedauert, bis ich darüber auch schreiben kann. Denn im Gegensatz dazu, was alle anderen dachten – wie “vogelfrei” sich das anfühlen würde zum Beispiel –, war nicht alles gleich von Anfang an leicht.
Vielleicht muss ich dafür auf die Gründe für mein Sabbatical zurückkommen. Da waren berufsbedingte Gründe, coronabedingte Gründe, aber auch gesundheitliche Gründe. Ich wusste, dass es Zeit war, mich weiterzuentwickeln, aber ich wusste nicht genau wie. Zusammen mit meinem Mann entschied ich, mir jetzt die Auszeit zu gönnen, die ich mir in der Erschöpfung der Kinderwunschbehandlung und der akuten Trauerphase damals nicht gegönnt hatte. Ich wusste: nun war ich mehr in meiner Kraft als damals. Jetzt würde es nicht nur ein “Erholen” sein, es würde auch etwas Produktives daraus entstehen können. Und doch machten mir zu Beginn die Ungewissheit und der Abschied von dem, was hinter mir lag – acht Jahre beim gleichen Arbeitgeber! – etwas zu schaffen. In den ersten beiden Wochen schlief ich schlecht. Ich träumte von meinen ehemaligen Arbeitskolleg*innen auf so absurde Weise, wie man eben oft träumt. Und ich hatte eine so hyperaktive Verdauung, dass ich teilweise nur auf dem Sofa lag und die Kraft hatte für nichts.
Zum Glück besserte es dann. Irgendwann war der Abschied von meiner langjährigen Stelle auch innerlich vollzogen und ich merkte, dass es nur einen Weg gab, meine Ängste zu besiegen: ich musste direkt auf sie los. An dieser Stelle ein dazu sehr passendes Zitat von der Schriftstellerin Cornelia Funke:
Ich hätte mit 16 gern gewusst, dass das Einzige, was zwischen uns und dem Leben steht, die eigene Angst ist. Und dass man sie nicht füttern darf, indem man ihr nachgibt. Ich hätte gern gewusst, dass es keine Veränderung gibt, ohne dass man dafür mit Angst bezahlen muss, und wie wunderbar glücklich und frei es macht, Dinge zu tun, vor denen man sich fürchtet.
Im Grunde hatte ich in den letzten Jahren bereits eine Ahnung davon bekommen, wer ich bin, unabhängig von Sozialisierung und äusseren Erwartungen. Ich wusste, was in mir schlummert. Ich hatte mich bereits durch meine Weiterbildung vor ein paar Jahren in eine gestalterische Richtung weiterentwickelt und seither wöchentlich einen festen Ateliertag beibehalten. Und doch waren da auch Zweifel: Meinst du, das kannst du wirklich? Vielleicht bist du ja nicht … (was auch immer) genug? Ich ging auf diese Fragen nicht weiter ein, und doch belasteten sie mich. Noch immer ist offen, wie es weitergeht. Ob ich daraus etwas Grösseres, Existenzielleres machen werde oder nicht. Oder ob ich mich am Ende wieder für einen (Teilzeit-)Brotjob entscheide, was auch immer das dann sein wird. Ich möchte das jetzt auch noch gar nicht entscheiden. Ich will einfach nur sein! Lernen, das Leben langsam zu leben. Auszukosten. Zu geniessen. Langeweile zuzulassen. Bis jetzt kam sie noch nicht auf, soviel sei schon mal verraten! Ich möchte warten, bis ich wieder Lust habe, einen neuen Job oder eben ein “mutigeres Leben” anzupacken. Und doch möchte ein Teil von mir Gewissheit. Er möchte wissen, was in einem halben Jahr oder Jahr mit mir ist. Vielleicht ist das nur normal. Für jetzt übe ich mich darin, den Moment zu geniessen. Und einfach nur immer den nächsten Schritt zu tun.
Ich ging jeden Tag spazieren. Manchmal schlug mir eine eisige Bise entgegen. Egal, ich ging trotzdem. Ich kaufte Frühlingsblumen für die Töpfe am Eingang und erledigte die ersten Dinge im Garten. Ich verbrachte drei Tage einsam an einem See. Da las ich, machte Spaziergänge, kochte mir Essen, erledigte den Aufwasch, hörte Podcasts, schaute auf den See und schlief. Mehr nicht. Nach meiner Rückkehr befiel mich das Bedürfnis aufzuräumen, auszumisten, Frühlingsputz zu machen. Ich räumte ganze Regale und Schränke aus, trennte mich von Dingen. Nach und nach, mit Pausen. Ich bestellte mir Speckstein und verbrachte drei sehr glückliche Tage am Stück damit, daran herumzufeilen. Ich kochte für meine Schwester, die ihre OP inzwischen gut überstanden hat. Ich traf mich mit einer Freundin zu einem Spaziergang. Setzte mich auf einen Stuhl im Garten. Beobachtete die Amseln bei ihren Balzritualen. Putzte ihre Häufchen auf dem Sitzplatz unter der Trauerweide weg, die sie beim Nestbau weit oben in den Wipfeln derselben Trauerweide hatten fallen lassen. Freute mich zuerst an dem Meer von Schneeglöckchen auf der Wiese. Und dann an all dem anderen, was aus dem Boden guckte und zu blühen begann. Ich machte gesunde Nutella. Ging ins Museum, als dies wieder möglich war. Mit der Zeit gelang es mir, am Morgen etwas länger zu schlafen. Da genoss ich es auch, noch etwas länger im Pyjama herumzusitzen. Wir besuchten den Grossvater meines Mannes, der vollständig geimpft ist. Ich las Bücher. Manche schnell, andere langsam. Verschickte frühlingshafte Karten. Machte Online-Pilates. Schrieb an diesem Blogeintrag herum. Löschte manches wieder. Schrieb es wieder neu. Ich hatte eines meiner Patenkinder zu Besuch. Und war traurig, nachdem es wieder gegangen war.
Zusammengefasst könnte man sagen: so langsam komme ich an in meinem Sabbatical. Es scheint, als würde sich mein Wunsch, mich mal so richtig über längere Zeit zu entspannen und vor allem besser zu schlafen, verwirklichen lassen. Und das ist gut :- ).
Wie geht es Euch so?
Foto: Elaine
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