Elaine ohne Kind

Über den Abschied vom Kinderwunsch und das Leben danach

Donnerstag

17

August 2017

Eine andere Welt

von Elaine, über Ungewollte Kinderlosigkeit, Gesellschaft

Kürzlich begegnete ich einem Spielkameraden aus meiner Kindheit. Wir beide hätten uns nicht auf Anhieb wiedererkannt, hätte uns nicht jemand auf einander hingewiesen. Daher war unser unverhofftes Treffen mit einer Prise Staunen und Überraschung vermischt. Aber nicht nur das…

Der Mann ist ganz nett und sicherlich ein guter Familienvater. Trotzdem empfand ich es als etwas schräg, als er mich direkt nach der Begrüssung als erstes fragte: “Und, Familie?” Ich war etwas verdattert und begann von meinen Eltern und Geschwistern zu erzählen, die er von früher her kennt, bis ich merkte, dass er nicht das gemeint hatte. Er wollte wissen, wie viele Kinder wir haben. Ich vermute mal, dass es ihm nicht mal in den Sinn gekommen wäre, dass es auch Leute ohne Kinder gibt. Sonst hätte er doch anders gefragt? Ich habe offen geantwortet. Am Ende musste ich die Situation dann auch noch retten, weil er offensichtlich nicht wusste, wie er reagieren sollte. Es war nicht schlimm. Aber ein bisschen… merkwürdig?

Später erzählte ich meinem Mann davon und mir wurde bewusst, welchen Weg ich inzwischen bereits zurückgelegt habe. Ich empfand diese Situation als schräg. Da dieser alte Bekannte und ich uns geografisch an einem ganz anderen Ort begegnet sind als an dem, wo wir aufgewachsen sind, hätte die erste Bemerkung doch in die Richtung gehen können: Wohnt Ihr jetzt hier? Oder: Arbeitest du jetzt hier? Ich fand es sehr merkwürdig, dass die Kinder gleich als erstes abgefragt wurden. Es sagt aber sehr viel über den Horizont des Gegenübers aus. Seine Welt ist vermutlich die Familie. Vielleicht verständlich, denn bei mehreren Kindern dreht sich wohl alles um sie. Das ist für mich in Ordnung. Aber ich finde, man darf nicht davon ausgehen, dass die Welt des Gegenübers genau gleich ausschaut. Wir Menschen sind ja so verschieden.

Erfreulich war für mich, dass ich mich in dieser Situation nicht minderwertig fühlte. Es tat auch nicht weh. Ich konnte hinstehen und sagen: Wir haben keine Kinder. Wir können keine kriegen. Ohne dass da ein Stich gewesen wäre. Oder eine grosse klaffende Wunde. Ich schämte mich nicht. Mein Leben ist nun mal so. Ich bin nicht weniger wert als ich es wäre, wenn ich Kinder hätte. Das rückblickend zu realisieren, tat gut.

Findet Ihr das auch schräg? Und passieren Euch solche Dinge ebenfalls?

Foto: Elaine

Elaine

lebt in der Schweiz. Sie liebt die Natur, besonders im Frühling. Sie mag Spaziergänge, Wanderungen, die Berge, das Meer, Bücher, Kunst, Flohmärkte, Brockenhäuser.

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