Elaine ohne Kind

Über den Abschied vom Kinderwunsch und das Leben danach

Donnerstag

24

August 2017

Für Freunde und Angehörige

von Elaine, über Gesellschaft, Statistik, Ungewollte Kinderlosigkeit, Abschied vom Kinderwunsch, Heilsam

Wie können Angehörige und Freunde uns am besten unterstützen? Ich spürte in meinem engeren Umfeld durchaus eine Bereitschaft, für mich da sein und mir helfen zu wollen. Oft jedoch begegnete mir auch viel Hilf- und Ratlosigkeit. Und in der Ratlosigkeit wurde dann halt eben doch manchmal zu einer Floskel gegriffen, die dann nicht so sehr half. Leider.

Was also können liebe Freunde und Familie tun, wenn jemand nicht schwanger wird oder gar am Ende des Kinderwunschweges steht, und dies mit leeren Armen? Was gilt es zu berücksichtigen?

Sarah Chamberlin hat aus Anlass der amerikanischen Infertility Awareness Week einige Hinweise zusammengestellt, wie Freunde, Familie, Arbeitskollegen und aktive Kinderwünschler die ungewollt Kinderlosen unterstützen können. Ich fand den Text so gut, dass ich gefragt habe, ob ich ihn für Euch übersetzen darf. Den Originaltext auf Englisch findet Ihr hier.

1. Ammenmärchen entlarven

Entspann dich einfach und fahr’ in den Urlaub. Wenn Ihr aufhört zu üben, dann passiert es. Es wird geschehen, wenn die Zeit reif ist. Ich geb’ dir mal ein paar Sex-Tipps…

Jede Person, die ungewollt kinderlos ist, kriegt ihren Anteil solcher unnützer und zum Teil inhaltlich falscher Floskeln und Ratschläge ab. Es gibt natürlich noch unzählige mehr; für alle würde hier der Platz nicht ausreichen. […]

Es ist selten, dass sich jemand durch solche Aussagen getröstet fühlt oder auch nur “neutrale” Gefühle hegt. Diese Ammenmärchen marginalisieren und stigmatisieren diejenigen, die bereits genug leiden, ohne daran auch nur die geringste Schuld zu tragen. Diese Mythen existieren nur, weil wir es zulassen. Wir müssen sie nicht noch weiter verbreiten!

Versucht es stattdessen mit:

  • “Das tut mir sehr leid.”

  • “Du bist erstaunlich stark.”

  • “Ich kann mir kaum vorstellen, was du durchmachen musst.”

  • “Es tut mir leid, dass du das durchmachen musst/musstest.”

  • “Wie kann ich dich/euch im Moment unterstützen?”

Falls Ihr die oben erwähnten Ammenmärchen von anderen ausgesprochen hört, dann fühlt Euch frei, ihnen zu widersprechen. “Entspann dich und fahr’ mal in den Urlaub” ist keine angemessene Antwort auf die medizinischen Probleme einer Person, sei es in der ungewollten Kinderlosigkeit oder anderswo.

Es gibt ausserdem genug Paare, die nicht mehr aktiv versuchten schwanger zu werden, bei denen aber auch danach einfach NICHTS passierte. Beim Schwanger-Werden gibt es keinen Placebo-Effekt.

Nur die wenigsten finden ausserdem Trost darin, wenn ihnen jemand sagt, dass es halt “einfach nicht sein soll”. Und die Art, wie ein Paar “es tut”, ist nicht der Grund für seine ungewollte Kinderlosigkeit. Was klingt, als wäre es von Teenagern nach dem Aufklärungsunterricht weiterverbreitet worden, wird tatsächlich immer wieder von erwachsenen Personen so thematisiert!

2. Die Zahlen kennen

Gemäss der amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention haben 12% der Frauen in den USA im Alter von 15 bis 44 Jahren Schwierigkeiten schwanger zu werden oder zu bleiben.

Eine Forschungsarbeit der WHO geht davon aus, dass eines von vier Paaren in Entwicklungsländern von Unfruchtbarkeit betroffen ist.

Ungefähr jede vierte Schwangerschaft endet mit einer Fehlgeburt.

Eine von 160 Geburten ist in den USA eine Totgeburt.

Im Jahr 2012 wurden weltweit 1,5 Millionen reproduktionsmedizinisch unterstützte Zyklen durchgeführt. Ca. 1,1 Millionen waren nicht erfolgreich. Das bedeutet, dass die Misserfolgsquote international bei fast 75% liegt. Die Centers for Disease Control and Prevention berichtet in den USA von einer Misserfolgsrate von ca. 66% im Jahr 2014.

Gegen 20% der weiblichen Bevölkerung in den Vereinigten Staaten (und vielen anderen Ländern der Welt) haben keine Kinder. Dies beinhaltet diejenigen, die gewollt kinderlos sind, ungewollt durch Umstände (zum Beispiel, weil sie gegen eine schwere Krankheit kämpfen mussten oder weil sie nicht rechtzeitig einen passenden Partner fanden) sowie ungewollte Kinderlosigkeit durch Unfruchtbarkeit.

Die Zahlen sprechen für sich. Diese lebensverändernden Erfahrungen betreffen viel zu viele, als dass wir sie einfach aus der menschlichen Kommunikation ausschliessen könnten.

3. Ein offenes Ohr bieten

Wie andere Menschen, die einen lebensverändernden traumatischen Verlust erleiden, müssen Personen, die mit ungewollter Kinderlosigkeit und den damit verbundenen Traumata leben, gehört werden. Sie brauchen aber auch Privatsphäre. Es ist wichtig, an ihrer Seite zu bleiben und ihnen Akzeptanz zu vermitteln, egal an welchem Punkt sie stehen. Am allerwichtigsten ist jedoch Empathie.

(Vor-)Urteile sowie Versuche, das Problem von aussen zu “lösen” oder zu pathologisieren, wirken trennend auf Beziehungen. Dasselbe gilt für ungefragte “Ratschläge” von denjenigen, die selbst nichts Derartiges durchgemacht haben. Ich bin kein bisschen qualifiziert, jemandem, der seinen Partner mitten im Leben verloren hat oder sich in einer Geschlechtsumwandlung befindet, zu sagen, wie er sich zu fühlen oder zu verhalten hat. Dasselbe gilt für jemanden mit dem Privileg lebender Kinder mir gegenüber.

Traurigerweise werden normale emotionale Reaktionen auf Unfruchtbarkeit und damit verbundene Verluste oft als geringfügig, überzogen, verrückt, selbstsüchtig oder fehlgeleitet angesehen, um nur ein paar wenige Meinungen zu nennen. Die durch die ungewollte Kinderlosigkeit ausgelöste Krise kann alles erschüttern. Gleichzeitig wird uns gesellschaftlich sehr oft ein Maulkorb auferlegt. Angesichts der unvorstellbaren Emotionen, die bei einem traumatischen Verlust unvermeidbar sind, ist ein offenes menschliches Ohr und Herz ein starkes und wertvolles Geschenk.

4. Realistische Vorstellungen von einer Adoption

Die Frage “Warum adoptiert Ihr nicht einfach?” ist die beste Art jemandem zu zeigen, dass man seinen Schmerz nicht anerkennt. Diese Aussage verharmlost die Herausforderungen, die sich Adoptiveltern und -kindern stellen können. Von allen Dingen, die man jemandem nach mehreren erfolglosen Behandlungszyklen oder natürlichen Zyklen, mehrfachen Fehlgeburten und besonders angesichts ungewollter Kinderlosigkeit sagen kann, ist dies ungefähr das Unangenehmste. Wie bei so vielem, was die menschliche Reproduktion betrifft, bestehen über die Adoption vielerlei falsche Vorstellungen.

Zuerst muss man wissen, dass eine Adoption keine Lösung und kein Heilmittel für Unfruchtbarkeit ist. Es ist eine Adoption.

Eine Adoption ist teuer, [in den USA] um die 40'000 Dollar. Nicht jeder kann sich das leisten, besonders nach einer kostenintensiven Kinderwunschbehandlung. Heutzutage übersteigt die Nachfrage im Adoptionsgeschäft das Angebot bei weitem. Es gibt keine Garantie, von den leiblichen Eltern ausgewählt zu werden; für ein Paar Mitte vierzig ist es unwahrscheinlich. Eine dritte Partei mit einzubeziehen, stimmt nicht für jede Familie. Eine offene Adoption, wie sie derzeit [in den USA] propagiert wird, erlaubt der leiblichen Familie eine gewisse Präsenz im Leben des Kindes. Die meisten internationalen Adoptionsprogramme wurden [in den USA] eingestellt - aus politischen Gründen oder wegen korrupter und unethischer Praxis.

Der Wunsch nach einem biologischen Kind ist universell und sollte nicht verurteilt werden. Wenn dem nicht so wäre, dann würden offensichtlich mehr fruchtbare Paare Kinder adoptieren.

Menschen, die versucht haben eigene Kinder zu bekommen und es nicht können, müssen trauern, ungeachtet dessen, was sie danach tun oder nicht tun. Nicht jeder findet es richtig, ein unschuldiges Kind in seinen Trauerprozess zu involvieren. Zudem erfüllen manche, wenn sie die akute Trauerphase denn mal überstanden habe, die Anforderungen der Adoptionsagenturen nicht mehr. Viele sind dann zu alt für eine Adoption. Manche Paare sind gar nicht in der Lage, ein Kind mit besonderen Bedürfnissen aufzunehmen. Vor allem diejenigen, die auf dem Kinderwunschweg mehrere Verluste erlitten haben, weil sie oft selbst traumatisiert sind und zuerst für sich selbst sorgen müssen.

5. Die Trauer respektieren

Dr. Alan Wolfelt definiert Trauer als das, “was wir denken und fühlen, wenn wir etwas oder jemanden verlieren, das/der uns wichtig ist.” Jede Art von Verlust beim Versuch Kinder zu zeugen wird einen gewissen Trauerprozess nach sich ziehen, ob man sich dessen selbst bewusst ist oder nicht.

Die Trauer ist essentiell für den Heilungsprozess. Jeglicher Ausdruck der Trauer sollte nicht nur toleriert, sondern ermutigt und unterstützt werden. So viele Freunde und liebe Menschen warten eigentlich nur darauf, dass die Person, die durch eine Krise geht, wieder zur Normalität zurückkehrt. Aber so funktioniert das nicht. Man kann sich nur nach vorne weiterentwickeln, da Trauma und Verlust die Fähigkeit haben, einen Menschen grundlegend zu verändern. Im allgemeinen ist die Veränderung umso dramatischer, je tiefer und grösser der Verlust ist. Die Akzeptanz von Freunden und lieben Menschen ist notwendig, während die Person sich durch Phasen des Taubheitsgefühls, Schmerzes und des Aufbaus eines neuen Lebens bewegt bis hin zum Finden eines neuen Lebenssinnes.

Diejenigen, die bereit und fähig sind, auf gesunde Weise zu trauern, werden ihre Verluste mit in den Stoff ihres Lebens weben. Manche tun dies, indem sie schreiben, Aktivisten werden, Freiwilligenarbeit leisten, eine Wohltätigkeitsorganisation gründen oder etwas anderes. Freunde und liebe Menschen, die sich dafür interessieren und die Person in diesen Dingen unterstützen, sorgen dafür, dass sich der/die Trauernde weniger isoliert und alleine fühlt.

Wichtig ist es ebenfalls, ein allfälliges Trauer- oder Abschiedsritual zu unterstützen, besonders, da diejenigen, die unter ungewollter Kinderlosigkeit und Fehlgeburten leiden, ihre eigenen Rituale schaffen müssen. Im Grunde existieren nur wenige solcher Rituale, wenn überhaupt. Ich selbst habe einen weissen Garten rund um das Grab der Fotos unserer 24 schönen Embryos gepflanzt. Am Jahrestag des Verlustes unserer Kinder (im Januar, Hochsaison der Nicht-Garten-Saison), kaufen mein Mann und ich weisse Blumen und zünden weisse Kerzen an. Es ist schön, wenn die Menschen dies in Gesprächen akzeptieren und sogar nachfragen, aber das ist selten.

6. Realistische soziale Erwartungen

Für diejenigen, die mit ungewollter Kinderlosigkeit leben und/oder sich damit abfinden müssen, kann es schmerzhaft sein, die normalen Pflichten des Alltags wahrzunehmen. Wir werden bombardiert mit Emotionen, von denen wir nicht einmal wussten, dass sie existieren - sie sind alle normal. Die fortdauernde Eigenschaft dieses Traumas und Verlustes darf nicht unterschätzt werden. Wir sind ständig umgeben von dem, was wir verloren haben, oder, in vielen Fällen, nie haben werden.

Eine [Studie unter Frauen, die mehrere erfolglose Behandlungszyklen hinter sich hatten](12% of women in the US between the ages of 15 and 44 will have difficulty or find it impossible to get and stay pregnant.), kam zum Ergebnis, dass bei fast der Hälfte dieser Frauen eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostizierbar war. Dem gegenüber stehen die gesellschaftlichen Erwartungen. Die Bereitschaft, diese Erfahrungen zu respektieren, empathisch darauf zu reagieren und durch alles hindurch an der Seite der Betroffenen zu bleiben, ist gleich Null.

Leider kommt es häufiger vor, dass Menschen mit Unfruchtbarkeit und ungewollter Kinderlosigkeit unter angeschlagenen Beziehungen und Ausschluss aus der Familie leiden, wenn sie den Mut haben, sich um ihre psychische und emotionale Gesundheit zu kümmern. Präsenz und Unterstützung von anderen beim Umgang mit und im Vermeiden von gewissen gesellschaftlichen Situationen ist sowohl hilfreich als auch nötig. Ein Beispiel dafür ist die amerikanische Babyparty. Mitten in der Kinderwunschbehandlung, nach einer Fehlgeburt oder bei (endgültiger) ungewollter Kinderlosigkeit eine solche Babyparty nicht zu besuchen, ist nichts als vernünftiger Selbstschutz. Und doch werden manche hart verurteilt, wenn sie “so etwas” tun. Wenn unser Erscheinen an einem solchen Anlass für unsere Freundin oder nahestehende Person wichtiger ist als unsere psychische und emotionale Gesundheit, dann ist etwas sehr verkehrt. Respekt für das Bedürfnis nach Selbstschutz angesichts der Krise der ungewollten Kinderlosigkeit kann viel bewirken - zum Positiven!

Fazit: Wir sehen die Welt durch die Brille unserer eigenen Erfahrungen. Wenn es um die Fortpflanzung geht, haben die Menschen ganz unterschiedliche Erfahrungen, so dass wir unsere Erwartungen an die Bedürfnisse derjenigen anpassen müssen, die Probleme damit haben, eine Familie zu gründen. Zum Beispiel kann ich die Begeisterung einer schwangeren Freundin nicht auf dieselbe Weise teilen wie ihre Freundinnen, die Kinder bekommen können, und das ist in Ordnung. Ich bin jedoch sehr gut dafür gerüstet, angesichts von unerwarteten Verlusten präsent zu sein.

7. Mit einbeziehen

Täglich trifft es mich neu, wie sehr die menschliche Kommunikation sich um elternbezogene Themen dreht. Es gibt viele Menschen, die diese Realität nicht teilen, obwohl manche von ihnen viel dafür getan hatten, dies zu erreichen.

Die Gespräche gehen derzeit von folgenden Annahmen aus:

  1. Jeder, der Kinder will, kann sie haben.
  2. Der Weg zum Eltern-Sein ist nicht von Trauma und Verlust geprägt.
  3. Alle Kinderlosen wollten keine Kinder.

In der menschlichen Kommunikation gibt es ganz klar ein Problem. Keiner der drei Punkte ist wahr. Das übergriffige “Wann gibt’s bei Euch Kinder?” hat mich schon mehr als einmal in Wut und Tränen getrieben. Die scheinbar unschuldige Frage “Hast du Kinder?” ist eine versteckte Landmine. Manche Menschen, die diese Frage stellen, haben Mühe, sich dem Gespräch anzupassen, wenn die Antwort nicht wie erwartet ausfällt. Meine Erwiderung “Nein” wird meist mit verdattertem Schweigen beantwortet, mit einem unhöflichen “Bald?”, oder noch schlimmer mit einem “Warum nicht?”. Wenn jemand nur “Ja” als Antwort erwartet, dann sollte er die Frage eigentlich gar nicht stellen, oder? Es kam auch schon vor, dass auf meine Antwort “Nein” hin die Leute sich einfach wortlos umdrehten und mit jemand anderem zu sprechen anfingen.

Die Frage “Hast du Kinder?” macht mich verrückt, denn sie trieft vor Ironie - sie kann so viel unnötigen Schmerz verursachen, währenddem sie in den meisten Fällen sowieso unnötig ist. Denn fangen diejenigen mit Kindern nicht sowieso von sich aus über diese an zu sprechen?

Die oben erwähnten Fragen sind ausschliessend. Sie lassen wenig Raum für andere Erlebnisse als die leicht erreichte Elternschaft. Oft denke ich, wie viel besser die Welt wäre, wenn manche einen Moment innehalten würden, bevor sie sprechen:

  • Was, wenn diese Person gerade eine Fehlgeburt erlitten hat oder gar mehrere?

  • Was, wenn diese Person sich gerade mitten in einem IVF-Zyklus befindet?

  • Was, wenn diese Person versuchte Kinder zu bekommen und das nicht klappte?

Die unter 2. präsentierten Zahlen zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass eines dieser drei Dinge zutrifft, nicht mal so klein ist. Welche Wirkung könnte meine gedankenlose und unnötige Frage auf eine solche Person haben?

Gespräche, die andere mit einbeziehen, zeichnen sich dadurch aus, dass man zuhört und sich für den anderen interessiert, wenn er/sie eine andere Erfahrung teilt, zum Beispiel Schwierigkeiten schwanger zu werden, eine Schwangerschaft auszutragen oder ungewollte Kinderlosigkeit. Um den anderen mit einzubeziehen, kann man das Gespräch so steuern, dass es nicht mehr um Themen geht, zu denen das Gegenüber nichts beitragen kann.

8. Den Abschied vom Kinderwunsch respektieren

Für mich als eine, die die Kinderwunschbehandlung auf sich genommen hat, aber ungewollt kinderlos geblieben ist, ist dieser Punkt besonders wichtig.

Beginnen wir mit ein paar Tatsachen:

  • In vielen Fällen sind alternative Wege zur Elternschaft nicht möglich.

  • Manche medizinischen Fälle haben eine so geringe Erfolgschance, dass sie es nicht mal wert sind, die emotionale Belastung und Kosten von IVF auf sich zu nehmen.

  • Beim Versuch Kinder zu bekommen, können den Menschen die Ressourcen ausgehen, und dies auf allen Ebenen - es ist tatsächlich so schwer.

Am Ende unserer vier Jahre, nach einer Operation und zehn Behandlungszyklen, waren mein Mann und ich mental, psychisch, emotional, finanziell und spirituell am Ende. Alle unsere “Tanks” waren leer; das Ausbleiben von reproduktionsmedizinischen Erfolgen war in unserem Fall allumfassend.

Paare, die den Kinderwunschweg verlassen, merken plötzlich, dass sie wieder leben wollen. Das ist eine gesunde Haltung und sollte unterstützt werden. Es ist äusserst unglücklich, dass diejenigen, die den Kinderwunschweg verlassen, beurteilt werden als hätten sie “aufgegeben” oder die Kinder nicht genug gewollt. Die Kinderwunsch-Community selbst kann eine der stärksten Vertreterinnen der Illusion “Durchhalten zahlt sich immer aus” sein. Wenn man den Kinderwunschweg verlässt, versuchen die anderen meistens, das Problem zu “beheben” (Adoptiert doch einfach!), oder es kommen Vorträge über die Wichtigkeit der Elternschaft oder aber das genaue Gegenteil - Gleichgültigkeit. Die Situation wird nur noch verschlimmert durch fehlende Akzeptanz und Anerkennung. Von einem positiven Erlebnis kann ich berichten, bei dem mein Gesprächspartner wie folgt reagierte: “Wie auch immer; das muss für dich eine so schwierige Entscheidung gewesen sein.” Ich dankte ihm für seine Empathie, denn er hatte den Nagel wirklich auf den Kopf getroffen.

Seinen Traum von eigenen Kindern weiterzuverfolgen, koste es was es wolle, braucht Durchhaltevermögen, da besteht kein Zweifel. Aber Durchhaltevermögen wird noch für viele andere Dinge benötigt! Sich einzugestehen, dass man die Belastungsgrenze erreicht hat, zeugt von innerer Kraft. Dasselbe gilt, wenn man mit den Behandlungen ganz aufhört. Einen Schlusstrich zu ziehen, um sich ein neues Leben aufzubauen, war für mich - ganz ehrlich - der schwierigste Teil des Weges.

In Zeiten, in denen Erfolgsgeschichten gegen alle Widrigkeiten allzu beliebt sind, will kaum jemand hören, dass es in manchen Fällen tatsächlich das Vernünftigste und Gesündeste ist, den Kinderwunschweg zu verlassen. Genau das ist jedoch der Punkt, an dem die Menschen am meisten Unterstützung benötigen.

Anmerkung meinerseits: Hier und hier berichtete ich über Reaktionen auf meine ungewollte Kinderlosigkeit, die mir gut taten und dich als sehr nachahmenswert empfinde…

Danke, liebe Sarah, dass ich diesen Text an meine Leser weitergeben darf!

Foto: Elaine

Elaine

lebt in der Schweiz. Sie liebt die Natur, besonders im Frühling. Sie mag Spaziergänge, Wanderungen, die Berge, das Meer, Bücher, Kunst, Flohmärkte, Brockenhäuser.

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