Immer weniger
von Elaine, über Abschied vom Kinderwunsch, Ungewollte Kinderlosigkeit, Bloggen, Heilsam
Hallo, Ihr Lieben!
Wie geht es Euch?
Geniesst Ihr den Sommer?
Hier war es recht wechselhaft mit immer mal wieder ein bisschen Regen. Ich möchte mich allerdings nicht beklagen - ich bin sogar dankbar dafür, dass es (noch) nicht so heiss ist wie letztes Jahr und das Wetter für mich die Gartenbewässerung übernimmt ;-). Ich bezog bereits ein paar Ferientage vor den allgemeinen Schulsommerferien und durfte dabei die Schönheit der Schweizer Berge und eines badetauglichen Sees geniessen. Mir wurde bewusst, wie vielfältig die Natur in meinem Heimatland ist und wie viele tolle Ecken wir mit relativ wenig Reiseaufwand erreichen können, so dass es gar nicht unbedingt nötig wäre, immer ins Ausland zu fliegen. Ich für meinen Teil habe bei weitem noch nicht die ganze Schweiz gesehen!
Das letzte Halbjahr war ein merkwürdiges. Wohl für uns alle, denke ich. Corona hat unsere Welt auf den Kopf gestellt. Es war eine sehr emotionale Zeit für viele von uns. Wir haben uns geängstigt, gesorgt, geärgert, fühlten uns im falschen Film. Waren unausgeglichen, weil so vieles wegfiel, was uns normalerweise gut tut. Buken Brot. Oder Kuchen. Oder auch nicht. Futterten uns ein bisschen Corona-Speck an. Arbeiteten von zu Hause aus, wenn wir das konnten. Trauerten vielleicht um die ältere Nachbarin, die an COVID-19 verstorben war. Verloren Aufträge und hatten plötzlich wenig oder gar keine Arbeit mehr. Oder im Gegenteil dazu viel mehr als sonst. Mussten unsere Ausbildung unterbrechen, die uns doch so wichtig war. Fühlten uns vielleicht noch kinderloser als wir es sonst schon sind. Versuchten dankbar zu sein für das, was wir hatten, aber es gelang uns nicht immer. Sicher war da noch anderes mehr.
Dann kehrte die Normalität wieder ein wenig zurück. Sie war anders als vorher: noch etwas irritierend und verunsichernd, aber trotzdem wohltuend. Wie himmlisch fühlte sich mein erster Spaziergang mit einer Freundin nach dem Lockdown an! Wir kauften uns ein Eis. Freuten uns an kleinen und grossen Dingen. Seerosen im Park. Der Aussicht auf die Stadt. Dem Sonnenschein. Vor allem aber darüber, uns wiederzusehen und austauschen zu können!
Das Sozialleben nahm wieder an Fahrt auf. Und plötzlich schien es mir alles zu viel; ich vermisste fast den etwas ruhigeren Rhythmus von zuvor. Natürlich war es da zu ruhig gewesen. Es war gespenstig. Aber da war auch Zeit, den Bienen im Garten zuzusehen und den Vögeln zu lauschen. Die kleine Schönheit am Wegrand wahrzunehmen. Die stille Alltagspoesie, die in der Betriebsamkeit untergeht.
Mit meiner Psychologin bearbeitete ich die traumatischen Überbleibsel aus der Kinderwunschzeit. Es war wunderbar zu spüren, wie sich letzte Widerhaken lösten. Von manchen Dingen ist mir noch heute bewusst, dass sie schwierig für mich gewesen waren. Aber das ist im Kopf. Emotional kommt nicht mehr viel hoch. Was mich extrem dankbar macht.
Gleichzeitig, und dieses Gefühl hatte ich schon länger, scheine ich immer weniger zu sagen zu haben zum Thema “Abschied vom Kinderwunsch” und Trauer. Ja, mein Mann und ich gehen zu zweit durchs Leben. Das wird so bleiben. Ja, unsere Lebensrealität ist dadurch sehr anders als diejenige von vielen Gleichaltrigen, die Kinder haben. Aber unser Leben hat genauso viel Sinn, Schönheit und Bedeutung wie jedes andere Leben auch.
Ich hatte kürzlich mein Patenkind zu Besuch und das freute mich sehr, aber am Abend war ich unendlich müde. Wir waren zu einem Kindergeburtstag eingeladen und ich fühlte mich noch immer ein bisschen deplaziert. Weh tat es jedoch nicht mehr. Vielleicht fühlte ich mich in gewissen Dingen ausgeschlossen. Aber es tangiert mich so viel weniger.
Was ich will ich hiermit sagen? Es gibt keine Blogposts mehr auf Vorrat wie früher. Und ich habe keine Ahnung, ob mir in den nächsten Wochen oder Monaten etwas zum Thema Kinderlosigkeit einfallen wird. Einerseits ist das wunderbar. Es bedeutet, dass der Abschied vom Kinderwunsch in gewissem Sinne hinter mir liegt. Nicht nur die akute Trauer, sondern auch das Drumherum. Die gesellschaftlichen Konsequenzen zum Beispiel. Mir scheint, darüber habe ich schon mehr als genug geschrieben. Ich mag mich viel weniger mit dem Thema auseinandersetzen. Ich bin es sogar fast ein wenig müde geworden. Ich möchte vor allem nach vorne blicken. Vielleicht den Fokus nochmal stärker darauf richten, mir mein Leben (noch mehr) so einzurichten, wie ich es möchte. Ich will an die kleinen wertvollen neuen Banden, die nach der Trauerzeit zu Menschen entstanden sind, anknüpfen, möchte investieren in das, was mir wichtig ist. Und das ist die Zukunft. Ja, sie sieht anders aus als vor zehn Jahren geplant, aber ich will trotzdem die Chancen packen, die sich mir bieten. Denn diese gibt es durchaus!
Jemand sagte mal, die Energie folge der Aufmerksamkeit - war es Isa aus dem (leider nicht mehr existenten) Wonderland? Und ich glaube, es ist Zeit, meine Aufmerksamkeit und Energie auf andere Dinge zu richten. Ja, ich bin ungewollt kinderlos. Noch genauso wie damals, als ich diesen Blog begann. Aber der Schmerz darüber zwingt mich nicht mehr dazu, ihn dauernd anzuschauen. Die Wunde ist recht gut verheilt und zwickt nur noch manchmal. In diesen Fällen kann ich damit umgehen. Ich habe ja inzwischen etwas Erfahrung damit :-). Ich mag dieser Narbe aber weniger Aufmerksamkeit schenken als auch schon. Ich habe getrauert. Lange. Und tief. Das könnt Ihr in den alten Blogeinträgen nachlesen. Aber irgendwann, glaube ich, geht man weiter. Zumindest ich habe dieses Bedürfnis.
Keine Angst: ich werde diesen Ort hier nicht aufgeben. Er ist irgendwie Teil von mir geworden. Mir ist auch bewusst, dass es nach wie vor nicht allzu viele “Anlaufstellen” zum Thema ungewollte Kinderlosigkeit gibt. Wie intensiv ich den Blog noch bewirtschafte, weiss ich jedoch nicht. Vielleicht sporadisch?
Aber womöglich hat jemand von Euch noch mehr zu erzählen als ich? Falls Ihr einen Gastartikel schreiben möchtet, wärt Ihr sehr willkommen - meldet Euch doch unten mit einem Kommentar. Oder auch, wenn Ihr Fragen habt - ich könnte bei Interesse mal einen Frage-Antwort-Eintrag machen. Bei Themen, zu denen ich nicht viel sagen kann, könnten wir auch unsere “Schwarmintelligenz” nutzen - was meint Ihr?
Bei dieser Gelegenheit möchte ich Euch allen herzlich danken für das Mitlesen, Begleiten, für alle Kommentare und das Mit-Teilen Eurer Erfahrungen und Geschichten. Für mich war und ist das ein grosser Schatz. Ich glaube, dass wir uns durch den Austausch gegenseitig etwas weiterbringen konnten und können. So manches Aha-Erlebnis verdanke ich einem Kommentar oder Blogartikeln von Mitbloggerinnen auf der ganzen Welt!
DANKE, DANKE, DANKE.
Macht’s gut, tragt Euch Sorge, und habt einen wunderschönen Sommer!
Eure Elaine
Foto: Elaine
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