Elaine ohne Kind

Über den Abschied vom Kinderwunsch und das Leben danach

Montag

25

November 2024

Integriert

von Elaine, über Ungewollte Kinderlosigkeit, Frauen ohne Kinder, Vorbilder, Leben

Schnee im November. Vierzig Zentimeter gab es am Donnerstag und Freitag. Wunderschön, und gleichzeitig hat das den Verkehr auf Strasse und Schiene stellenweise ziemlich lahmgelegt. Wir Schweizer sind uns das im Flachland nicht mehr gewohnt. Schon gar nicht im November! Das Gute daran ist jedoch, dass mich das sofort in Weihnachtsstimmung versetzte. Schnee und Kälte genau zum richtigen Zeitpunkt!

Da ist so viel Dankbarkeit. Für meine abenteuerliche Reise, von der ich immer noch etwas zehre. Dafür, dass ich gerne zur Arbeit zurückgekehrt bin. Für liebe Menschen in meinem Leben. Für den wunderschönen Kranz, den eine Freundin für mich gemacht hat. Dafür, dass das Leben so viel leichter und schöner ist als vor einem Jahr. Für die Tage, an denen die Sonne durch den Nebel bricht. Für die Stunden im Atelier. Für die Energie, die ich nach einem Training verspüre. Ich bin immer wieder erstaunt darüber, dass ich nach der körperlichen Anstrengung über mehr Energie verfüge und nicht weniger!

Diesen November hatte ich mein Abschlussgespräch bei der Psychologin, die mich in den letzten fünf Jahren begleitete. Am Anfang enger, dann in immer grösseren Abständen. Zum Schluss sah ich sie nur noch vierteljährlich. Ihr Rückblick auf unser allererstes Gespräch führte mir vor Augen, welchen Weg ich in dieser Zeit hatte zurücklegen dürfen. Natürlich bedeutete das viel Arbeit an mir selbst, was nicht nur lustig war. Zum Teil war es äusserst anstrengend! Aber es hat sich mehr als gelohnt. Zum Beispiel konnte ich die traumatischen Erlebnisse aus der Kinderwunschbehandlungszeit integrieren mit Hilfe von EMDR. Die Kinderlosigkeit geht ja nicht weg. Sie bleibt ein Teil von mir. Es werden immer wieder Momente kommen, die vielleicht Trauer oder Wehmut auslösen. Aber ich fühle mich jetzt ganz. Da fehlt nichts mehr. Es braucht schon Grobfahrlässigkeit in meinem Umfeld (bzw. überdurchschnittliche Rücksichtslosigkeit), damit das bei mir emotional noch etwas Nennenswertes auslöst. Ich kann auch so, ohne Kinder, glücklich sein und ein zufriedenes Leben führen. Das macht mich dankbar!

Ich durfte einiges von meiner Psychologin lernen. Zum Beispiel, dass viele Menschen nicht die ideale Herkunftsfamilie haben. Dass es okay ist, sich selbst in einem gewissen Masse zu schützen und stimmige Wege zu suchen, um mit diesen Personen im Kontakt zu bleiben. Da ist etwas Normalisierendes in diesem Wissen, dass auch andere es nicht immer lustig finden, manche ihrer Familienmitglieder zu treffen. Ich muss nicht alles “flicken”. Es darf auch etwas suboptimal bleiben. Es ist okay, solange es mich nicht über Gebühr beansprucht.

Was ich auch mitnehme, ist ihre wohlwollende Art, mir Fragen zu stellen. Ich habe mir davon etwas angeeignet für meine inneren Gespräche mit mir selbst. Zum Beispiel, wenn es mir gerade nicht so gut geht: Was ist gerade mein Bedürfnis? Was würde mir jetzt gut tun? Oder auch: Wie kann ich mir in dieser Situation Unterstützung suchen? Es sind kleine Dinge, die jedoch einen grossen Unterschied machen. Früher waren meine inneren Dialoge alles andere als wohlwollend!

Rückblickend durfte ich ausserdem lernen, mit den Gleichzeitigkeiten des Lebens entspannter umzugehen. Zum Beispiel damit, dass meine Eltern mich lieben, mir aber häufig nicht gut tun. Oder dass eine Frau aus dem Atelierkontext mir Tipps gab für meine Reise nach New York und aus der Distanz Anteil nahm, währenddem es innerhalb der Gruppe mehrere Konflikte gibt mit ihr. Ich habe ihr auf ihren Wunsch Dinge aus den USA mitgebracht, obwohl ich damit rechnen muss, dass sie in einem halben Jahr oder Jahr nicht mehr da sein wird. Damit hätte ich früher Mühe gehabt. Da war mein Denken viel mehr Schwarz-Weiss. Alles super oder alles schlecht. Heute halte ich diese Spannungen besser aus. Es fühlt sich an, als sei ich ein klein wenig innerlich gewachsen :-).

Was war da sonst noch im November? Ich mochte diesen Film über Spätzünder und diesen Podcast (englisch) über Haushalts- und Umweltgifte, die einen Einfluss auf unsere Gesundheit haben können. Ich kann das im Zusammenhang mit meinen Erfahrungen mit der Endometriose bestätigen und finde, dass noch viel mehr Menschen darüber Bescheid wissen sollten, wie sehr uns beispielsweise Parfüms, aber auch andere Dinge schaden, die wir bedenkenlos benutzen – obwohl wir sie streng genommen nicht wirklich bräuchten. Ich war ebenfalls dankbar für die Offenheit von Michelle Yeoh im Zusammenhang mit ihrer Kinderlosigkeit (das ganze Interview findet Ihr bei BBC online in der Sendung Women’s hour). Es tut sich was! Jeder Schritt in Richtung Enttabuisierung zählt <3.

Wie geht es Euch?
Wie war Euer November?

Da der Dezember in grossen Schritten naht, ein Monat, der für viele von uns nicht einfach ist, verlinke ich Euch gerne meine älteren Dezembertexte. Vielleicht ist ja etwas dabei, was Euch gut tut oder hilft. Tragt Euch Sorge!

Herzlich,
Eure Elaine

Foto: Elaine

Elaine

lebt in der Schweiz. Sie liebt die Natur, besonders im Frühling. Sie mag Spaziergänge, Wanderungen, die Berge, das Meer, Bücher, Kunst, Flohmärkte, Brockenhäuser.

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