Lebensentwürfe
von Elaine, über Gesellschaft, Medien, Interviews
In letzter Zeit wurde in den Medien gleich dreimal über “unser Thema” berichtet, unter Beleuchtung verschiedener Facetten:
Zuerst erschien das Interview mit Helge in der WELT. Wie immer finde ich es unglaublich wohltuend, von anderen zu lesen, die einen ähnlichen Weg gehen. Und ich ziehe einmal mehr meinen Hut: Danke, Helge, für deine Offenheit!
In der Sächsischen Zeitung wurde ebenfalls ein Artikel über die ungewollte Kinderlosigkeit publiziert, unter Mitwirkung von Franziska Ferber. Ich finde ihn tatsächlich irgendwie tröstlich… aber lest selbst!
Des Weiteren erschien im Migros-Magazin ein Beitrag über absichtlich kinderlose Frauen. Unter anderem wird die uns wohlbekannte Regula Simon porträtiert. Und ich freue mich darüber! Denn obwohl gewollt Kinderlose eine ganz andere Ausgangslage haben als ich, die ich gerne Kinder gehabt hätte und erst vom Kinderwunsch Abschied nehmen musste, interessiert mich, wie solche Frauen ihr Leben gestalten. Warum?
Erstens, weil ich mir selbst nicht vorstellen konnte, irgendwann wieder glücklich zu sein, nachdem es bei uns nicht geklappt hatte mit den Kindern. Und zweitens, weil es mir ganz und gar nicht half, mir Menschen mit Kindern als Vorbild zu nehmen. Mein Leben wird ja nie so sein wie ihres. Es brauchte eine Neuorientierung. Die vielleicht noch nicht ganz abgeschlossen ist :-). Dabei sind mir andere, die keine Kinder haben - gewollt oder ungewollt - eine grosse Hilfe. Deren Lebensentwürfe können und dürfen nämlich auch mich inspirieren! Etwas verbindet uns ja: alle werden wir keine eigenen Kinder grossziehen. Der Schmerz und die Trauer unterscheiden uns natürlich zumindest zu einem gewissen Grad von den absichtlich Kinderlosen. Aber hier erinnere ich gerne daran, dass die schweren Tage nicht für immer anhalten. Bei mir ist inzwischen wieder Sonnenschein eingezogen! Bewölkte Tage gibt es immer noch, und es kann auch mal regnen oder stürmen. Aber den Monsun, diese Flut von Tränen, habe ich hinter mir gelassen. Und wenn das bei mir so ist, dann ist das doch sicherlich auch bei Euch möglich?
Mir gefällt zum Beispiel diese Textpassage aus dem Migros-Magazin ganz gut:
Viele können sich nicht vorstellen, dass eine Frau ohne Kinder glücklich sein kann. Schliesslich sei es die natürliche Bestimmung jeder Frau, dereinst Mutter zu werden. Dabei zeigen Zahlen einer im «Journal of Marriage and Family» veröffentlichten Analyse von rund 60 Studien: 70 bis 80 Prozent der Paare mit einem Baby fühlen sich unglücklicher als in der Zeit vor der Geburt.
Ich finde es toll, dass hier einer gängigen Meinung widersprochen wird. Derjenigen nämlich, Kinder seien mit Glück gleichzusetzen. Wenn ich da gleichaltrige Freundinnen mit Kindern beobachte, ist das manchenorts tatsächlich nicht so. Es gibt Familien, die von einem Drama ins nächste schlittern. Deren Kinder ständig krank sind. Deren Mütter seit Jahren kaum schlafen und fix und fertig sind. Sicher nicht überall, sicher nicht immer, aber hin und wieder schon. Wer genau hinschaut, wird sehen: Probleme hat wohl fast jeder. Das Hochglanzprospekt-Familienbild bleibt in der Regel nur dort bestehen, wo man jemanden nicht näher kennt. Oder nicht hinschaut bzw. hinhört…
Die gängige Vorstellung geht dahin, dass Kinderlose das Wichtigste im Leben verpassen und irgendwann bitter und verschrumpfelt in ihrem düsteren Kämmerchen sitzen. Als hätten wir schon jetzt alles vergeigt, wo wir doch noch mitten im Leben stehen und über so viele Möglichkeiten verfügen! Die Einsamkeit ist die grösste Angst überhaupt. Wie unser Alter jedoch dereinst aussehen wird, hängt vor allem von uns selbst ab! Im Artikel wird das so thematisiert:
…Hand aufs Herz: Wäre es im Rentenalter nicht schön, wenn da eine eigene Familie und ein paar Enkel wären? «Das habe ich mich früher zuweilen auch gefragt. Ob ich meinen Entscheid dereinst bereuen könnte. Aber nein: Ich bin sehr zufrieden mit meinem Leben.» Im Gegensatz zu Frauen, die nie einen anderen Lebensinhalt als die Familie hatten und im Alter sehnsüchtig auf den Besuch der Enkel warten, habe sie Übung darin, selbst für ihr Glück verantwortlich zu sein. Und überhaupt: «Ich höre auch immer wieder von Grosseltern, die richtiggehend eingespannt werden – und darüber nicht nur glücklich sind.»
Das entspricht genau dem, was ich mir so langsam auch zusammengereimt habe. Dass der Grossvater meines Mannes sich zum Beispiel an seinem 85. Geburtstag darüber beschwerte, wie einsam er sei - an einem grossen Fest, mit all seinen Nachkommen und gar einer festen Freundin - liess mich darauf schliessen, dass Kinderlosigkeit und Einsamkeit im Alter nicht unbedingt so viel miteinander zu tun haben müssen. Man braucht nicht kinderlos zu sein, um einsam zu sein. Und umgekehrt braucht man nicht einsam zu sein, wenn man kinderlos ist! Wichtiger scheint mir die eigene Einstellung. Und das Bewusstsein dafür, dass wir selbst ganz viel zu unserem Glück beitragen können. Indem wir dem nachgehen, was uns gut tut. Indem wir Beziehungen pflegen und uns in andere investieren. Das lohnt sich nämlich!
Oder was meint Ihr? Und wie denkt Ihr über die verschiedenen Lebensentwürfe?
Foto: Elaine
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