Märzgedanken
von Elaine, über Leben, Atelier, Ungewollte Kinderlosigkeit, Gesellschaft
Ordnen, sortieren, durchatmen. Das will ich mit diesem Blogeintrag versuchen.
Der Text ist eher etwas lang. Wenn Ihr mögt, dann schnappt Euch also gerne eine Tasse Tee oder einen Kaffee ;-).
Das letzte Jahr sitzt mir noch etwas in den Knochen. Erleichterung ist schon da. Meinem Mann und mir geht es in der Ehe ein ganzes Stück besser. Es hilft, wenn das Zuhause wieder ein Ort der Entspannung sein kann und man nicht schon auf dem Nach-Hause-Weg merkt, dass sich alles in einem zusammenzieht. Dafür bin ich dankbar. Mein “sicherer Ort” ist nun auch tatsächlich wieder sicher. Obwohl mein Mann gerade unter sehr viel Druck steht und ich deswegen weiterhin vorsichtig bin. Die Grundstimmung ist eine andere.
Auf Arbeit habe ich mir im letzten Jahr viel angeeignet. Aber wie meine Bürokollegin richtig sagte, bin ich, wenn man in Betracht zieht, dass ich 40% arbeite, im Grunde erst ein halbes Jahr dort. Das heisst, es gibt noch immer Dinge zu lernen und zu erfragen. Mehr, als mir lieb ist. Aber es gibt auch einiges, in dem ich selbstständig bin und was gut läuft.
Im Hinblick auf die Ateliertätigkeit habe ich gerade ein “Gnusch im Fadechörbli”, wie wir in der Schweiz sagen. Ein Wirrwarr von To do’s, Möglichkeiten und Gedanken. Der Durchblick fehlt. Solche Momente auszuhalten, ist nicht immer leicht. Letztes Jahr durfte ich ja mit meinen Illustrationen Geld verdienen, was einerseits schön war, mir daneben aber nicht sehr viel Freiraum liess. Als die letzte Arbeit gedruckt und der Kunde zufrieden war, machte sich daher Erleichterung breit. Nun kann ich wieder selbstbestimmter arbeiten, meine Tage gestalten, wie es zu mir passt. Meiner Intuition nachgehen, weniger von aussen gesteuert sein.
Fixpunkte gibt es trotzdem. Letzte Woche ging ein weiteres Kunstfestival über die Bühne, für das ich emotional weniger investiert habe als beim letzten Mal, das aber dennoch einen gewissen Effort erforderte. Die Resonanz war weniger gross als beim ersten Mal, auch finanziell gesehen. Nach einer kurzen Nacht war ich am Folgetag für ein paar Stunden sehr, sehr nah am Wasser. Stellte in Frage. Merkte, dass ich in Zukunft nicht einfach in derselben Art weitermachen kann.
Wie weiter also? Unmittelbar plane ich bereits die nächste Vernissage. Einer meiner Auftraggeber vom letzten Jahr ermöglicht mir eine kleine Ausstellung in seinem Foyer. Die Bedingungen bereiten mir etwas Kopfzerbrechen. Ich erhalte fünf gemietete Stellwände, für die Nägel und Reissnägel nicht geeignet sind und an denen keine Klebspuren hinterlassen werden dürfen, habe aber gleichzeitig gewisse Ansprüche. Das Ganze soll einigermassen professionell daherkommen und nicht aussehen, als hätte eine Schulklasse ihre Zeichnungen aufgehängt. Eine befreundete Illustratorin kleidete dieselben Stellwände vor ein paar Jahren in Wabenkarton ein; die Ästhetik des Kartons passte sehr gut zu ihrem Stil. Etwas weniger gut zu meinem. Die Herausforderung wird also sein, etwas zu finden, was zu mir passt, ohne übermässigen Aufwand. Denn herausschauen wird für mich finanziell wohl nichts…
Oben zeige ich Euch mein Miniskizzenbuch (9 x 9 cm). Quasi als Blick hinter die Kulissen, weil Ihr in den Kommentaren Interesse an meiner Ateliertätigkeit gezeigt habt. An den meisten Ateliertagen fülle ich dort morgens eine Seite, ganz ohne Ansprüche. Es darf emotional sein, darf eine Stimmung ausdrücken. Ich klebe, male, kritzle, schreibe. Meist tut mir das sehr gut. Vielleicht wäre das übrigens auch etwas für einige von Euch? Mit Leimstift, Schere und Zeitungspapier hantieren kann schliesslich jede*r :-). Inspiriert dazu hat mich eine Kunsttherapeutin, und ich finde tatsächlich, dass es etwas Therapeutisches hat. Das kleine Format ist sehr niederschwellig; man hat eine solche Seite rasch gefüllt. Das nur so nebenbei.
Unten seht Ihr ein zufällig entstandenes Arrangement aus unverarbeiteten Collagenschnipseln der letzten Wochen und Monate. Ist es nicht interessant, was einem da manchmal zu-fällt? Diesmal hielt ich die Schnipselkombination mit der Handykamera fest. Als Erinnerung daran, mich auf das Positive zu fokussieren. Gerade in der PMS-Phase brauche ich das manchmal ;-).
Optimistisch stimmt mich: aus der Praxis des morgendlichen Miniskizzenbucheintrages ist etwas Neues entstanden. Ich habe eine Serie mit kleinformatigen Collagen auf handgeschöpftem Papier angefangen. Hier will ich auf jeden Fall dranbleiben. Das kleine Format hat Potential, weil es kommerziell niederschwelliger ist. Je grösser die Bilder, desto höher der Preis und desto kleiner die Wahrscheinlichkeit, dass sie jemand kauft.
Die grossen Fragen schweben weiterhin über mir.
Müssen meine Ateliertage Geld abwerfen?
Und wenn ja, wie viel?
Brauche ich eine Strategie?
Würde das die Muse nicht vertreiben, die mich ohnehin nur sporadisch küsst?
Eine befreundete Fotografin zeigt demnächst ihre Arbeiten in einer Galerie in der Nähe. Ich kenne die Inhaberin, und sie hat auch mir angeboten, mich an einer Ausstellung zu beteiligen. Könnte dies vielleicht der nächste Schritt sein?
Mein Mann trägt normalerweise einen wesentlichen Teil zu unserem Einkommen bei. Aktuell ist er jedoch als Selbstständiger in einer Phase, in der er vor allem investiert. Das heisst, unser Kontostand sinkt. Kann ich seine und meine Unsicherheit gleichzeitig aushalten?
Immer wieder ziehe ich in Betracht, meine Ateliertätigkeit aufzugeben für mehr finanzielle Sicherheit, aber ein Teil von mir mahnt mich, damit noch zu warten. Vielleicht sieht in ein paar Monaten alles wieder anders aus?
Zum Kinderthema erlebte ich in den letzten Wochen ein Wechselbad der Gefühle. Meine Schwester fuhr mit ihrem 11 Monate alten Sohn eigens 1 1/2 Stunden, um mich am Kunstfestival zu besuchen. Das schätzte ich sehr. Mein Neffe ist zuckersüss mit seinen blauen Augen und dem roten Haar. Er ist meist gut gelaunt und zeigte seine vier Zähne gerne.
Ende Februar wurde aber auch mein Bruder zum ersten Mal Vater. Er entschied sich trotz meiner ausdrücklichen Bitte um Rücksichtnahme bewusst für das hemmungslose Teilen seines überschwänglichen Glücks, was sich in einer wahren Bilderflut in unserem Familienchat äusserte. Wut regte sich meinerseits, immer wieder. Ich hätte besser nicht um Rücksicht gebeten, dann wäre es weniger schlimm. Ich lösche die meisten Bilder relativ schnell, aber dann kommen ja auch noch die Reaktionen der anderen. Ich überlegte zeitweise, aus dem Familienchat auszusteigen, doch damit würde ich mich auch von allem anderen ausschliessen. Urlaubsfotos, Faschingbilder und Gesundheitsupdates, vor allem von meinen Eltern. Auch hier heisst es wohl: abwarten. Vielleicht normalisiert sich alles wieder.
Und bei Euch?
Wie geht es Euch?
Was beschäftigt Euch gerade?
Fotos: Elaine
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