Elaine ohne Kind

Über den Abschied vom Kinderwunsch und das Leben danach

Dienstag

22

Juni 2021

Monas Geschichte

von Elaine, über Ungewollte Kinderlosigkeit, Abschied vom Kinderwunsch, Frauen ohne Kinder

Heute darf ich die Geschichte von Mona mit Euch teilen, was mich sehr freut!
Vielen Dank, liebe Mona, dass Du Dich bei mir gemeldet hast!
Gerne lasse ich Dich gleich selbst zu Wort kommen:


Ich bin Mona, naturliebend, kinderlos, 43 Jahre alt, zumeist optimistisch und immer ein bisschen auf der Suche. Viele Jahre haben mein Mann und ich versucht, ein Kind zu bekommen. Als wir dem Hoffen und Bangen ein Ende setzten, als wir ausstiegen aus unserem persönlichen Hamsterrad, begannen wir aufzuarbeiten. Zunächst hieß es neue Kräfte tanken, unseren Blickwinkel neu auszurichten und dabei zurückzuschauen und versuchen, zu verstehen. Die vielen dunklen Stunden und Erfahrungen haben uns geprägt und verändert zurückgelassen. Wir sind zusammengerückt, ganz nah. Wir haben uns entwickelt, schauen hin, genauer, auf uns und auch auf andere. Wir sind nicht zurückgekehrt zum Davor, sondern haben ein Danach geschaffen. Der kritische Blick auf die Zeit vor dem Kinderwunsch, der sorgsame Blick auf Vorstellungen und Träume in unserem Leben hat geholfen, unser gemeinsames Leben neu zu erfinden und zu erfüllen. Eine Möglichkeit, zu reflektieren, mich auszudrücken und zu verarbeiten ist für mich das Schreiben. Dies ist einer meiner Texte:

Kinderwunschwelten

Ob ich eine gute, eine richtige Puppenmutter war in meinen Kindertagen, das kann ich nicht erinnern. Es war wohl so, dass ich gerne mit Puppen spielte, doch Barbies fand ich recht schnell viel interessanter. In deren Welt gab es keine Babys, doch sie hatten Pferde und Ken. In diesem Spiel konnte ich mich Stunden vergessen. Als ich älter war, 13 oder 14 Jahre alt, und die Barbies und Puppen längst aus meinem Jugendzimmer verbannt hatte, stellte ich mir mein Erwachsenenleben vor und entwickelte mit meiner Freundin Entwürfe unseres späteren Lebens. Kinder kamen in meinen Vorstellungen nie vor, sie gehörten nicht zum Plan und existierten nicht in meinem imaginierten Kosmos.

Als ich dann meinen Mann kennen lernte und wir schließlich ein Paar wurden, war Familienplanung über viele Jahre kein Gesprächsthema für uns. Unsere Zukunft entwickelte sich ganz automatisch und zusammen, doch Kinder erdachten wir einfach nicht.
Kurz nach einem Umzug besuchten uns liebe Freunde. Sie war schwanger und die Frage kam auf, ob wir nicht nachziehen wollten. Entspannt verneinten wir, stellten aber in Aussicht, vielleicht beim zweiten Kind mit einzusteigen. Um uns herum wurden nun immer mehr Kinder geboren und so rutschte die Kinderfrage unweigerlich in unsere Gespräche. Doch statt uns mit ihr auseinanderzusetzen, ob wir denn wirklich Kinder wollten, setzten wir diese Annahme voraus und sahen nur den richtigen Zeitpunkt für noch nicht gekommen. So vergingen noch ein paar Jahre bis aus einer Verkettung familiärer Umstände heraus der Moment gekommen war, wir wollten nun auch ein Kind.
Und ich kann es rückblickend nur als verrückt bezeichnen, denn nach all den Jahren, in denen die Familiengründung kein Thema für uns war, wollte ich nun unbedingt, dass es auch klappte. Wir glitten in eine Art Ausnahmezustand. Vielleicht, weil wir unseren Weg verließen, vielleicht, weil ich so eine Ahnung hatte, vielleicht, weil wir uns verrannten, vielleicht, weil wir nicht mehr durchatmen konnten. Ich erlitt eine erste Fehlgeburt und die Hoffnung stieg. Ich konnte schwanger werden, wir würden doch ein Kind bekommen, oder nicht? Der Stress und die Anspannung wuchsen. Irgendwie musste es doch gelingen.
Drei Monate nachdem uns ein Arzt gesagt hatte, wir hätten kaum Chancen auf natürlichem Weg ein Kind zu bekommen, war ich wieder schwanger. Angst, Hoffen und in der achten Woche die Herztöne auf dem Ultraschall. Herzlichen Glückwunsch, strahlte der Arzt, um vier Tage später, mein Mann war dabei, mit nun ernstem, ich möchte fast sagen, entsetzten Blick nur noch den Kopf schütteln zu können und den Mutterpass zu behalten. Zweite Fehlgeburt, Hoffnung zerstört, Schmerzen, Blut und Angst, durchmischt mit Trauer und Verzweiflung, mit Zweifeln und dem Nichtverstehen, was passiert war.
Wir rappelten uns wieder auf. Um uns herum wurden immer weitere Kinder geboren. Meine Schwägerin war mit ihrem dritten Kind schwanger. Auch die, bei denen es dauerte, schwierig war, bekamen doch noch ihr Kind. Ich trauerte, ich litt und versuchte, mich über jede Schwangerschaft zu freuen. Meine beste Freundin besuchte ich im Krankenhaus nach der Geburt ihres Sohnes. Gemeinsam weinten wir – vor Freude, vor Glück und um ein nicht geborenes Kind. Dann wagten wir den Schritt in die Kinderwunschwelt. Nette Ärzte, Unterstützung, Möglichkeiten und Entscheidungen brachten uns zur dritten Schwangerschaft und ich spürte, auch diese würde nicht mit der Geburt und einem Kind in unseren Armen enden.
Vier Wochen vor unserer Feier – fünfzehn Jahre miteinander – gewannen wir Gewissheit durch den Ultraschall, dritte Fehlgeburt. Jetzt erst recht, meinte mein Mann, als ich die Frage nach der Feier stellte. Und wir feierten, mit so lieben Menschen! Wir feierten uns, unsere Liebe, die guten und die schlechten Zeiten und vielleicht feierten wir auch einen Abschied. Es war genug, das wussten wir beide und wir verabschiedeten uns von unserem Kinderwunsch, jeder in seinem Tempo, in seiner eigenen Tiefe und hielten uns dabei fest umarmt.

Es sind wieder ein paar Jahre vergangen. Wir sind zu zweit in unserem Leben und es fühlt sich wieder nach unserem Leben an. Wir sind kinderlos, ungewollt und wohl auch ein bisschen selbstbestimmt. Das ist unsere Schublade, wenn es denn eine braucht.
Wir sitzen, trinken eine Tasse Tee und schauen in unseren Garten. Keine Schaukel, kein Sandkasten, viele Knospen und Blüten, viel Grün. Wir lächeln, wir stehen auf und machen uns auf den weiteren Weg, gemeinsam.


Welch eine wunderbare, traurige und doch auch Hoffnung machende Geschichte!
Danke von Herzen, liebe Mona, fürs Teilen <3!

Foto: Elaine

Elaine

lebt in der Schweiz. Sie liebt die Natur, besonders im Frühling. Sie mag Spaziergänge, Wanderungen, die Berge, das Meer, Bücher, Kunst, Flohmärkte, Brockenhäuser.

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