Nachhaltig
von Elaine, über Ungewollte Kinderlosigkeit, Gesellschaft, Leben
Heute schreibe ich über ein Thema, das ich nur aufgrund meiner eigenen Distanz zur Trauer und zum Abschied vom Kinderwunsch anschneiden kann. Ich bin mir dessen bewusst, dass diejenigen, bei denen der Schmerz noch frisch ist, damit wohl nicht viel werden anfangen können. Das ist okay. Ihr braucht diesen Text auch nicht unbedingt lesen, sondern dürft Euch auf das beschränken, was Euch wohltut. Dazu eignen sich zum Beispiel ältere Einträge aus der Rubrik Selbstfürsorge ganz gut ;-).
Schon in der aktiven Kinderwunschzeit und zu Beginn der Abschieds- und Trauerphase stiess ich zum Beispiel auf dem Mama-Blog des Tagesanzeigers immer wieder auf fast militante Kommentare, die auf die Überbevölkerung hinwiesen in dem Sinne, dass es unverantwortlich sei, noch mehr Kinder in die Welt zu setzen, da der Mensch die Ressourcen ohnehin schon überbeanspruche. Ich dachte mir dann jeweils, die seien ganz schön extrem und habe einfach weggeklickt. Überhaupt habe ich den Mama-Blog dann irgendwann ganz links liegen lassen, aus Gründen.
Ein paar Jahre später habe ich meine Trauer zu 99% verarbeitet, habe mir mein Leben eingerichtet, wie es mir (meistens) gefällt und fühle mich auch gesellschaftlich gut aufgehoben. Es beschäftigen mich ganz andere Dinge. Inzwischen ist das Thema Nachhaltigkeit in aller Munde. Wir bemühen uns, weniger Plastik zu benutzen, uns regional und saisonal zu ernähren, essen je nachdem weniger Fleisch und Milchprodukte. Wir sind uns dessen bewusst, dass wir nicht zu viel fliegen sollten und/oder versuchen sogar, faire Mode zu kaufen. Letzteres ist für mich im Moment noch die grösste Herausforderung, aber man muss ja nicht immer alles aufs Mal schaffen.
Mein Mann macht sich über dieses Thema schon länger Gedanken. Ein Auto hatten wir noch nie, aber mein Liebster weigert sich seit einigen Jahren auch, in den Urlaub zu fliegen und nimmt stattdessen lieber den Zug, wenn es sich irgendwie einrichten lässt. Das macht unser Leben ein wenig komplizierter, aber schöne Ferien sind auch so noch sehr gut möglich. Die Schweiz verfügt leider über kein Meer, aber sie liegt zum Glück doch recht zentral in Europa.
So weit, so gut. Ich weiss nicht, wie wir am Ende darauf kamen, aber als wir uns kürzlich mal wieder über dieses Thema unterhielten - mein Mann versucht inzwischen, sich so viel wie möglich auf dem Fahrrad oder zu Fuss fortzubewegen -, da meinte er plötzlich, das Nachhaltigste an unserem Lebensstil sei ja sowieso, dass wir keine Kinder hätten. Aufs Erste verblüffte mich das, aber ich war sofort damit einverstanden. Auch wenn ich anders herum nie auf die Idee gekommen wäre, aus Rücksicht auf den Planeten kinderlos zu bleiben ;-).
Lustigerweise hörte ich in den Wochen darauf diesen Satz noch öfter, auch aus ganz anderen Quellen, was mich denn auch dazu veranlasste, diesen Text überhaupt zu schreiben.
Irgendwie hat es doch im Nachhinein etwas Tröstliches, dass das, was wohl etwas vom Schmerzhaftesten war in meinem Leben, mir im Kontext der Nachhaltigkeitsdebatte schon fast wieder einen Bonus verleiht. Ungewollt, aber ich nehm ihn trotzdem ;-)!
Foto: Elaine
NÄCHSTER ARTIKEL
Zeit haben und nehmen
Um anonym zu kommentieren: Kommentar schreiben, Pseudonym und E-Mail in die Felder eintragen und bei "Ich möchte lieber als Gast schreiben" das Häkchen setzen.