Neu orientiert
von Elaine, über Abschied vom Kinderwunsch, Heilsam, Hoffnung
Der Hochsommer ist vorbei. Nach drei Monaten mit einem Wetter wie irgendwo im Süden sind die Temperaturen gesunken. Morgens liegen bereits zarte Nebelschleier über der Landschaft. Es riecht ein klein wenig nach Herbst, obwohl der Herbst noch gar nicht da ist. Ich mag diese Übergangszeit. Es ist nicht mehr ganz so heiss. Man geniesst die letzten warmen Tage dafür umso mehr und hält sich noch möglichst viel im Garten auf. Gleichzeitig kommt an verregneten Tagen doch schon die erste Lust auf Kürbissuppe auf.
Der Herbst war für mich schon immer ein Symbol dafür, wie die Zeit vergeht. Im Zusammenhang damit überlegte ich mir kürzlich mal, was sich in den letzten 3 1/2 Jahren seit unserer “Linie im Sand” alles verändert hat. Ich dachte, dass dies womöglich nicht nur für mich interessant sein könnte. Hier kommt meine Liste, in willkürlicher Reihenfolge:
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Ich gucke inzwischen bei völlig anderen Leuten auf Instagram. Meist solchen, die keine kleinen Kinder haben. Weil mich inzwischen solche Fotos langweilen. Ja, Ihr lest richtig: “langweilen”! Am Anfang taten mir die Fotos von den Babys und Kindern anderer weh. Das war so richtig schlimm. Jetzt interessieren sie mich nicht einmal mehr :-).
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Ich lese ganz andere Blogs als vor der aktiven Kinderwunschzeit. Solche von Bloggerinnen, die teilweise sehr viel jünger sind und keine Kinder haben. Solche von Kreativen, Wortkünstlern, Pflanzenliebhabern und Weltverbesserern. Einfach so zum Hineinschnuppern. Weil es gut tut, zu sehen, was andere so machen, die keine Kinder haben. Oder das Kinder-Haben nicht so sehr zum Thema erheben.
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Ich treffe mich seltener mit Menschen, die Kinder haben. Weil da inzwischen in meinem Umfeld viele andere Menschen sind, die mehr Gemeinsamkeiten mit mir teilen. Die langjährigen, wirklich guten Freunde bleiben, also die mit den Kindern. Aber es sind auch neue hinzugekommen, solche, die besser zu meiner Lebenssituation passen. Ich fühle mich inzwischen nicht mehr alleine!
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Wir leben in einer anderen Wohnung. Einer richtig schönen. Sie hat kein provisorisches Kinder-Gästezimmer mehr. Sie liegt nicht mehr gegenüber der Schule. Und ihre Einrichtung entspricht weniger dem Mainstream als es die alte tat. Dafür passt sie besser zu mir und der Frau, die ich jetzt bin. Nämlich auch nicht so viel Mainstream ;-).
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Wir haben jetzt einen Garten. Ich mache mir öfter die Hände schmutzig. Ich kann mir ganze Sträusse von frischen Kräutern holen. Frische Beeren und Gemüse. Ausserdem stehe ich sehr oft am Küchenfenster und schaue einfach nur hinaus.
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Ich habe eine Ausbildung angefangen. Und abgeschlossen. Yippie!
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Ich bin mutiger geworden, mich selbst zu sein. Kompromissloser. Wenn auch immer noch tendenziell vorsichtig ;-). Ich versuche mich weniger zu verbiegen, um die Erwartungen anderer zu erfüllen. Halt: da bin ich immer noch dran. Mal gelingt es mir besser, mal weniger.
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Ich weiss besser, was mir gut tut. Und versuche dies, so oft es geht, auch umzusetzen.
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In den letzten Monaten hat mich traurig gemacht, dass ein lieber Mensch unerwartet und viel zu früh gestorben ist. Aber das hat nichts mehr mit dem Thema Kinderlosigkeit zu tun. Dieses Thema löst kaum mehr Trauer bei mir aus.
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Die Zeit mit meinen Patenkindern kann ich inzwischen meist geniessen. Was lange überhaupt nicht der Fall gewesen war!
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Mein Leben empfinde ich als erfüllt. Manchmal ist es einfach nur anstrengend oder herausfordernd, aber es gibt auch Momente, in denen es schön ist. Sinnvoll. Und gut.
Insgesamt lässt sich diese Liste wohl in einem Wort zusammenfassen: Neuorienterung! Diese ist inzwischen grösstenteils erfolgt, stelle ich gerade fest. Das brauchte allerdings seine Zeit. Es war nicht immer leicht, geduldig zu sein. Auszuhalten. Aber es hat sich gelohnt :-).
Haben sich bei Euch auch schon Dinge verändert? Und wenn ja, welche?
Übrigens: Nächste Woche ist wieder World Childless Week (Welt-Kinderlosigkeits-Woche)! Aus Zeit- und Ressourcengründen werde ich nicht daran teilnehmen, aber vielleicht hat der/die eine oder andere von Euch Lust, ein bisschen mitzuverfolgen, was diesbezüglich rund um den Globus so passiert?
Foto: Elaine
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