Patenkinder
von Elaine, über Abschied vom Kinderwunsch, Gesellschaft, Schmerz
Ich habe drei Patenkinder. Sie sind alle in dem Alter, in dem unsere eigenen Kinder wären, hätten wir sie denn bekommen. Als ich angefragt wurde, ob ich Patin sein wolle, war ich gerührt und geehrt. Und ich dachte, dass ich - falls es mit eigenen Kindern nicht klappen sollte - immerhin noch meine Patenkinder hätte. Ich wollte daher unbedingt Patin sein.
Zuerst war ich ziemlich eng mit diesen Freunden und Patenkindern unterwegs. Eine Freundin begleitete ich sogar während mehrerer Tage im Wochenbett, weil ihr Mann geschäftlich im Ausland war. Ich übernachtete bei ihr, machte ihr Wickel für den Milchstau, trug mein Patenkind herum, wenn es weinte. Da stiess ich jedoch emotional schon an meine Grenzen. In der zweiten Nacht weinte ich, und nach drei Tagen war ich erschöpft. Ich wusste, dass ich das nicht so bald wiederholen durfte, jedenfalls nicht in dieser Länge.
Auch als das zweite Patenkind zur Welt kam, konnte ich es besuchen und halten. Wir machten Fotos: Gotti Elaine und Klein-Leo. Es war bitter-süss. Ich war vorsichtiger in der Dosierung und vertrug es daher ein wenig besser.
Beim dritten Patenkind war es schwieriger. Es kam kurz vor meiner Operation auf die Welt. Mein Mann und ich besuchten Mutter und Baby im Krankenhaus, und ich bin innerlich fast zerbrochen. Ich wusste: morgen lege ich mich unter das Messer, weil es bei mir mit dem Schwanger-Werden nicht klappt. Es war sehr schwer. Aber ich habe gelächelt. Es gibt Fotos von mir, wie ich mein Patenkind halte, und darauf lächle ich.
Die Behandlungszeit war dann voller Hoffnung. Ich war in der Lage, an der Taufe des dritten Patenkindes teilzunehmen, zu tun, was ich tun musste, auch wenn es schwer war. In der Kirche weinte ich kurz, dann ging es wieder. Ich war aber froh, als ich den Tag überstanden hatte.
Als sich unsere Behandlungszeit dem Ende zuneigte und ich dann durch die Trauer ging, war es mir eine Weile lang nicht möglich, meine Patenkinder zu sehen. Die Erholungszeit nach einem solchen Besuch war schlicht zu lange. Ich fiel in ein Loch. Es dauerte Wochen, bis ich da wieder rausgekraxelt war. Wenn ich trotzdem eines der Patenkinder sah, war ich wie erstarrt. Ich feierte Weihnachten mit der Familie (eines der Patenkinder habe ich innerhalb der Familie) und war nicht imstande, mit meinem Patenkind zu spielen. Ich versuchte nur, den Heiligabend irgendwie zu überstehen.
Eines der Patenkinder sah ich 1 1/2 Jahre lang gar nicht. Meine Freundin, die Mutter des Kindes, war glücklicherweise sehr verständnisvoll. Ansonsten besuchte ich die Kinder an ihren Geburtstagen und versuchte sie vor Weihnachten einmal zu sehen. Aber es war nicht schön für mich. Im Gegenteil: es war emotional sehr anstrengend. Weil es mir immer schmerzhaft vor Augen malte, was ich nicht hatte.
Inzwischen kann ich es zum Teil wieder geniessen, meine Patenkinder zu sehen. Ich finde sie wieder süss. Einfach nur süss. Ich kann mit ihnen am Boden sitzen und spielen, und es geht mir gut dabei. Ich bin gerührt, wenn sie mich mit diesem Blick ansehen, der nur für das Gotti reserviert ist. Es ist schön, wichtig für ein Kind zu sein.
Wenn ich meine Patenkinder jetzt besuche, bin ich hinterher immer noch traurig. Zwei der Kinder wohnen weiter weg, so dass ich die Rückfahrt dann meist dazu nutze, meine Gefühle zu sortieren. Bis ich dann daheim bin, bin ich einfach nur noch müde, aber nicht mehr traurig. Und das sehe ich als Fortschritt.
Wie ist das bei Euch?
Foto: Elaine
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