Seinen Platz finden
von Elaine, über Ungewollte Kinderlosigkeit, Gesellschaft, Weisheit
Heute gibt es an dieser Stelle mal wieder ein Lieblingszitat. Notiert hatte ich es mir vor längerer Zeit. Erst kürzlich fiel mir das kleine Notizbüchlein wieder in die Hände, und ich dachte sofort: das muss auf den Blog…
Den für mich passenden Ort wird es nicht geben - es sei denn, ich schaffe ihn selbst.
James Baldwin
Mich hat dieser Satz sehr angesprochen. Gefühlt als einzige kinderlos übrigzubleiben in einem Umfeld, das sich um Familien und Kinder dreht, hat bei mir zu einem sehr ausgeprägten Mich-Fehl-Am-Platz-Fühlen geführt. Das war nicht nur in der Trauerphase so, sondern ist es auch jetzt manchmal noch, siehe zum Beispiel mein Blogeintrag zum Thema Familienfeiern.
Der Unterschied zu früher ist: in der akuten Trauer mied ich gewisse Orte und Anlässe, weil ich sie schlicht nicht ertrug. Heute gehe ich nicht mehr hin, weil ich mich anderweitig orientiert habe. Oder ich gehe hin und es ist ziemlich okay. Nur das mit der Zugehörigkeit ist ein Stück weit noch ein Problem. Einerseits verlasse ich mich darauf, dass ich mit der Zeit andere Freunde haben werde. Das braucht Geduld. Und Vertrauen. Andererseits darf ich auch ruhig selbst etwas offensiv sein. Wenn ich offen über meine Geschichte rede - wer weiss, vielleicht öffnet das Türen bei meinem Gegenüber, das sich mir dann auch anvertraut? Vielleicht höre ich plötzlich immer öfter ein “Ich auch” heraus, an den unerwartetesten Orten? Oder wenn es nicht ein “Ich auch” ist, dann ist es vielleicht ein “Meine Schwester hat auch…” oder ein “Die Freundin meines Sohnes…” so jedenfalls ergeht es mir. Seit ich auf das Thema sensibilisiert bin, beginne ich die anderen Kinderlosen zu sehen. Oder zu hören. Manchmal verpasst man sie, wenn man nicht acht gibt. Oft sind es nur Nebensätze, die wichtige Informationen beinhalten. Aber meine “Antennen”, wie Eva das in einem Kommentar so schön genannt hat, wachsen. Ich fühle mich je länger je weniger alleine damit, keine Kinder zu haben.
Es braucht Geduld, sich neu zu orientieren. Und Zeit, bis man sich das entsprechende Umfeld neu erschaffen hat. Die Spannung auszuhalten zwischen dem, was ist, und dem, was man sich wünscht an Menschen, die einen WIRKLICH verstehen, oder mit denen man mehr gemeinsam hat, ist nicht leicht. Die Mehrheit meiner wirklich guten Freundinnen haben Kinder. Und dort, wo noch keine Kinder sind, ist das Thema noch nicht abgeschlossen. Keine Angst: diese Freundinnen werde ich nicht fallen lassen. Sie sind mir wichtig. Und doch können sie nicht alles abdecken, was ich brauche. Das macht auch nichts. Kein Mensch kann alle Bedürfnisse erfüllen. Manche Dinge muss man sich eben ein Stück weit selbst erschaffen. Im Kleinen, im täglichen Umgang mit Menschen. Jede von uns kann dazu beitragen, dass ihr eigener passender Platz entsteht. Ein Ort, an dem sie sich wohlfühlt. Mit Menschen, die ihr gut tun. Die mir gut tun, die dir gut tun.
Wie machen wir das? Indem wir uns für die Menschen interessieren. Offen für sie sind. Unseren Horizont erweitern. Zum Beispiel um Menschen, die schon ein wenig älter sind als wir. Oder jünger. Inzwischen bin ich der Meinung, dass sich unser Freundeskreis zu einem gewissen Grad von selbst verändert und mit verschiebt. Weil wir uns neu ausgerichtet haben. Weil wir andere Signale aussenden. Vielleicht mit anderen Menschen ins Gespräch kommen als früher. Es dauert, bis aus neuen Bekanntschaften auch Freundschaften werden. Aber am Ende kommt es gut, denke ich.
In dem Zusammenhang empfehle ich Euch übrigens, die Kommentare zum Blogeintrag Eine andere Welt zu lesen. Unter anderem hat Eva davon berichtet, wie sie andere Frauen ohne Kinder kennengelernt hat: über den Sport. Gewisse Sportarten oder Hobbies ziehen nämlich nicht unbedingt Frauen mit Kindern an. Man kann entweder gezielt nach Gleichgesinnten suchen oder aber sich anderen Interessen widmen, über die sich dann ebenfalls neue Bekanntschaften und vielleicht eines Tages auch Freundschaften ergeben. Danke Euch allen an dieser Stelle für Euer Mit-Diskutieren und Kommentieren! Ich freue mich immer sehr, von Euch zu lesen.
Foto: Elaine
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