Elaine ohne Kind

Über den Abschied vom Kinderwunsch und das Leben danach

Freitag

18

November 2016

Über das Träumen

von Elaine, über Abschied vom Kinderwunsch, Heilsam, Hoffnung, Sinn

Eine Träumerin im klassischen Sinne bin ich nicht. Dafür war ich immer zu vorsichtig. Ich verschwende nicht allzu viel Energie darauf, Luftschlösser zu bauen. Mit Ausnahme des Kinderwunsches vielleicht, aber das war irgendwie anders. Für mich war das Kinder-Kriegen nie etwas Abgehobenes oder Unrealistisches. Ich dachte immer, ich würde eines Tages Mutter sein, aber ohne rosa Wölkchen. Es war wohl der Urinstinkt, der in mir verankert war. Kinder zu kriegen, hat für mich weniger mit Träumen und Schwelgen zu tun, sondern ist etwas sehr Bodenständiges. Dafür wusste und weiss ich einfach zu viel über die Anstrengungen, die eine Mutter auf sich nimmt, wenn sie Kinder grosszieht.

Allerdings gab es da schon ein paar kleine, wenn auch unterbewusste Träumchen. Zum Beispiel sah ich vor mir diese Landhausidylle. Meine Kinder spielten im Garten, währenddem ich blütenweisse Wäsche aufhängte. Vielleicht hat das mit meinen eigenen Kindheitserinnerungen zu tun, die ich gerne in einer Form reproduziert hätte. Leider wurde dieses Bild nie Wirklichkeit. Ich weiss, dass es Paare gibt, die sich trotzdem ein Haus kaufen, auch wenn sie keine Kinder haben. Bei uns ist das nicht so. Mein Mann wollte nie unbedingt ein Haus. Jetzt, wo keine Kinder kommen, sind die Chancen auf ein Eigenheim daher praktisch gleich Null. An dieser Stelle vielleicht eine kleine Hintergrundinformation an alle Leserinnen und Leser, die nicht in der Schweiz wohnen: die meisten Schweizer leben in Mietwohnungen. Ein eigenes Haus ist nicht nur sehr teuer, sondern steuerlich äusserst unvorteilhaft, jedenfalls, wenn es abbezahlt ist. Klammer zu ;-).

Um das Haus mit Garten habe ich nicht bewusst getrauert. Aber es hat mich schon hin und wieder wütend gemacht, dass der eine Wunsch, der nicht in Erfüllung ging (die Kinder) gleich andere Wünsche mit zerstört hat. Ich dachte mir, dass es doch reichte, dass dieser eine grosse Wunsch, diese Vorstellung von meinem Leben, sich nicht verwirklichen sollte. Weshalb sollten sich andere Wünsche gleich mit in Luft auflösen müssen?

Nun, es war, wie es war. Es ist, wie es ist. Ich habe es akzeptiert. Und es ist eine grosse Sache, diesen Satz schreiben zu können, auch wenn er nur aus vier Worten besteht. Aber das muss ich Euch wohl nicht sagen ;-).

Kommen wir zum schönen Teil. Ich dachte erst, ich würde nie mehr träumen können. Die Kinder waren alles, was ich wollte. Materielle Dinge oder auch Tätigkeiten, die ich normalerweise liebe, sagten mir nichts mehr. Sie verloren an Bedeutung. Machten mir keine Freude. Und das, obwohl ich ein sehr vielseitig interessierter Mensch bin. Was heute wieder mein Glück ist. Aber ich musste erst trauern. Und dann, als ich durch die Trauer hindurch war, jedenfalls durch den grössten Brocken, begann ich aus Disziplin das Gute zu tun. Dinge, die mir normalerweise Freude bereiten. Denn ich wollte, musste mich selbst “retten” (diesen Ausdruck habe ich bei Franziska Ferber gesehen und gleich geklaut, weil er mir so gut gefällt). Das war bitter nötig. Ich hatte mich verausgabt beim Verfolgen des alten, geplatzten Traumes. Ich übte mich also darin, mir selbst Gutes zu tun. Es ging mir immer besser. Und plötzlich erwachten dadurch auch meine Träume wieder. Alte Träume. Aber auch neue Träume. Träume, die dadurch geboren werden, dass ich wieder zu mir selber gefunden habe. Mich dem widme, was ich kann. Was mich erfüllt. Wieder erfüllt. Denn eine Zeit lang war es ja nicht so.

Letztes Wochenende habe ich meinen Mann überrascht, und das gleich mehrfach. Er zeigte mir etwas in einer Zeitschrift. Es hat mit seinen eigenen Träumen zu tun. Mein Mann war schon immer ein Träumer. Ein Pionier. Ein Idealist. Einer, der viele Dinge ausprobiert hat, aus denen nicht immer etwas wurde. Aber eines seiner Projekte ist dann am Ende doch Wirklichkeit geworden. Ein grosses Projekt. Das uns heute stolz macht. Uns auch gut tat nach unseren Misserfolgen im Bereich Familienplanung. Mein Mann hat also schon immer geträumt. Und sich für seine Träume eingesetzt. Zeit investiert. Mit Leuten darüber gesprochen. Sich ein Netz aufgebaut. Gearbeitet. Viel gearbeitet. Seeehr viel. Die Spannung ausgehalten, die so etwas Neues mit sich bringt. Ich bin da weniger der Typ dafür. Als mein Mann mir den Artikel in dem Magazin zeigte, sagte ich zu ihm: das würde mir jetzt auch noch gefallen. Er war verblüfft. Ich auch. Ein bisschen. Und mir kamen die Tränen. Weil ich plötzlich merkte, dass ich wieder träumen kann. Dass ich wieder Möglichkeiten sehe, wo ich sie vorher nicht sah.

Wer keine Kinder haben kann, meint vielleicht, für immer ausgeträumt zu haben. Aber es ist nicht so. Wartet nur. Ihr werdet wieder träumen.

Foto: Elaine

Elaine

lebt in der Schweiz. Sie liebt die Natur, besonders im Frühling. Sie mag Spaziergänge, Wanderungen, die Berge, das Meer, Bücher, Kunst, Flohmärkte, Brockenhäuser.

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