Über die Trauer
von Elaine, über Abschied vom Kinderwunsch, Trauer, Schmerz, Selbstfürsorge
Hier kommt er, der versprochene Beitrag zum Thema Trauer. Ich muss dazu sagen, dass ich wahrlich keine Expertin bin, was Trauer angeht. Weder habe ich Psychologie studiert noch habe ich dazu stapelweise Bücher gelesen. Alles, worüber ich berichten kann, ist meine eigene Erfahrung.
Sehr viel Wissenswertes und Hilfreiches über die Trauer fand ich auf dem Blog von Belle und Isa, den es leider inzwischen nicht mehr gibt. Mir taten diese Texte wahnsinnig gut. Weil ich ziemlich unwissend war, was die Trauer anging.
Was mich die Trauer lehrte
Die Trauer heilt uns. Sie ist nicht gegen uns, sie hilft uns, Dinge loszulassen. Trotzdem kann sie auch sehr unangenehm sein. Weil mit ihr manchmal ungebetene Gäste wie Wut, Scham oder Neid vorbeischauen. Und dann erst dieser Schmerz! Ihre Heftigkeit kann uns erschrecken. Wichtig ist aber: Sie geht vorbei, jedenfalls in ihrer anfänglichen Intensität. Es wird besser. So war es bei mir.
Was ich als erstes lernen musste, ist, dass durch die Trauer alte schwierige Trauer-Erfahrungen wieder hochkommen können. Bei mir war es die Trauer um eine zerbrochene Beziehung, die mehr als zehn Jahre zurücklag und die ich längst verarbeitet glaubte.
Zudem durfte ich lernen, gut auf mich selbst aufzupassen: Stichwort Selbstfürsorge. Ich lernte, mir Gutes zu tun. Und das war durchaus mit ein wenig Disziplin verbunden. Damit meine ich jetzt nicht unbedingt eine Shopping-Therapie, “weil ich es mir Wert bin”. Als einmaliger Aufsteller mag das funktionieren, auf Dauer helfen leider die schönsten Kleider und schicksten Schuhe nicht. Es sind andere Dinge wie genügend Bewegung, gesunde Ernährung, schöne Erlebnisse, ein Treffen mit lieben Menschen. Sich wann immer möglich dem Guten und Schönen aussetzen könnte man auch sagen. Weil die Trauer doch auch anstrengend und belastend sein kann.
Mein Weg durch die Trauer
Direkt nach unserem Schlussstrich unter die Kinderwunschbehandlung verspürte ich eine grosse Erleichterung. Da war plötzlich freie Zeit, ohne die ganzen Arzttermine. Ich hatte mehr Energie, buk auch mal spontan einen Kuchen (während der Kinderwunschbehandlung undenkbar!) und sah das Leben recht positiv. Das ging ein paar Monate so.
Danach folgte so etwas wie ein starker Sturm auf hoher See mit meterhohem Wellengang. Wenn ich irgendwo eine Schwangere sah, und sei es nur eine Passantin am Bahnhof, fühlte es sich an wie ein Schlag in die Magengrube. Ich weinte ein Meer von Tränen. Die Auslöser waren überall. Schwangere. Geburtsanzeigen. Es war nicht lustig. Ich wartete eine Weile, dann beschloss ich, mir den Besuch bei einer Psychologin zu gönnen. Was wirklich sehr half. Ich erhielt viel Bestätigung von ihr: was ich erlebte, war normal! Ich wurde zum Beispiel nicht dement - Vergesslichkeit kann ein Symptom der Trauer sein. Das beruhigte mich ungemein. Ich lernte aber auch ein paar Tricks für die Momente, wenn ich Angst hatte, in den hohen Wellen zu ertrinken. Einfache Übungen, die erstaunlich wirksam waren.
Später wurde ein Besuch beim Hausarzt nötig, weil mich die Trauer im Anschluss an die Kinderwunschbehandlung förmlich erschöpft hatte. Ich hatte Eisenmangel, Vitamin D-Mangel, und vor allem musste ich endlich wieder schlafen. Die Anspannung der Kinderwunschbehandlung zollte ihren Tribut, bis ich nur noch nervös war, grundlos und zu den merkwürdigsten Zeiten. Ja, der Schlaf. Er ist wichtig. Und essen ebenso. Nicht zu viel und nicht zu wenig.
So war das bei mir. Mit der Zeit wurde die Trauer sanfter, die Wellen flacher, die Abstände zwischen den Wellen grösser. Die Sonne schaute zwischen den Wolken hervor. Es gab Verschnaufpausen. Vielleicht hatte ich auch einfach besser “schwimmen” gelernt, was weiss ich ;-). Mit “schwimmen lernen” meine ich den Umgang mit negativen Gefühlen, die Selbst-Annahme und Selbstfürsorge. Über all das habe ich im Abschied vom Kinderwunsch sehr viel gelernt.
Und jetzt?
Eine Anleitung, wie man mit der Trauer umgehen soll, kann ich nicht bieten. Jede Situation ist ja so anders. Ich möchte hier aber doch ein paar Dinge notieren, die mir persönlich geholfen haben. Ihr könnt Euch einfach rauspicken, was Euch anspricht:
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Die Wellen nehmen, wie sie kommen. Wenn ich mich gegen die Trauer wehrte, ging es mir nicht besser, sondern schlechter. Auf die Zähne beissen und so tun, als wäre alles in Ordnung - keine so gute Idee. Also lernte ich, die Wellen zu akzeptieren, wenn sie kamen. Ich fand Wege, mich kurz zurückzuziehen, wenn ich an Orten war, an denen die Trauer keinen Platz hatte. Ich verschwand für eine Weile und kam dann wieder. Irgendwo las ich mal den Ausdruck “die Trauer umarmen”. Das beschreibt es eigentlich ganz gut, auch wenn ich das nicht von Beginn an instinktiv getan habe. Ich musste es lernen.
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Darüber reden. Mit meinem Mann, meiner Mutter oder einer guten Freundin. Mich in den Arm nehmen lassen. Mit der Psychologin darüber reden, wenn ich das Gefühl hatte, meinen Mann zu sehr damit zu belasten.
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Nach draussen gehen an die frische Luft. Das bringt auf andere Gedanken und hellt die Stimmung auf (Vitamin D lässt grüssen, übrigens auch im Winter!).
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Sport (siehe hier) oder auch nur sanfte Bewegung wie spazieren. Am besten wirkte bei mir die Kombination von 3+4.
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Musik. Je nach Stimmung. Manchmal, wenn ich nicht mehr aufhören konnte zu weinen, aber die Nase voll hatte davon, drehte ich fröhliche Musik laut auf und sang mit. Es ist unmöglich zu weinen, wenn man singt. Und singen ist eine Wohltat für die Seele. Auch wenn man kein Gesangstalent ist.
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Irgendwann dann mal wieder bewusst lachen. Zum Beispiel, indem man sich die Vorstellung eines Komikers zu Gemüte führt. Ich mag Dr. Eckart von Hirschhausen ganz gerne, ein Müsterchen findet Ihr hier. Vielleicht hab Ihr andere Favoriten. Es ist einem natürlich nicht immer danach. Ehrlich gesagt war mir sehr lange überhaupt ganz und gar nicht danach. Aber mal so richtig herzhaft zu lachen, ist eine Wohltat.
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Der Austausch mit anderen Betroffenen online. Im richtigen Leben schien ich praktisch die einzige zu sein, die keine Kinder haben kann. Im Internet von anderen zu lesen und vor allem, es dann irgendwann dann auch zu wagen, selbst zu schreiben (zuerst in den Kommentaren), war äusserst heilsam. Ich bin auf unerwartetes Verständnis und Mitgefühl von anderen Betroffenen gestossen, für mich unbezahlbar!
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Alles, was gut tut. Es kann ein bestimmtes Hobby sein, etwas Kreatives, Gartenarbeit, Kochen, ein Museumsbesuch, Konzertbesuch, ein Tag im Spa oder das Versorgen eines Tieres. Ihr findet schon heraus, was Eure Stimmung aufhellt. Ein Geschenk der Trauer ist, dass man ganz viele solche Dinge über sich selber lernt.
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Die Zeit. Sie arbeitet für uns, zumindest in der Trauer. So war es bei mir und so ist es, soviel ich von anderen höre, bei den meisten. Die Wunden heilen. Erst bildet sich eine zarte Kruste, die leicht wieder aufbrechen kann. Dann wird sie immer fester und belastungsfähiger. Irgendwann spürt man die Narbe noch, aber sie beherrscht unser Leben längst nicht mehr. Das Gute an der Zeit ist, dass sie von uns keinerlei Anstrengung erfordert. Sie vergeht sowieso. Und das hat doch etwas Tröstliches.
Was auch oft empfohlen wird, ist Yoga. Vor allem wohl, weil es hilft, wieder ein positives Körpergefühl zu entwickeln und ganz “bei sich” zu sein, ohne dass das Gedankenkarussell sich dreht. Meine Probelektionen in einem Yoga-Studio habe ich sehr positiv erlebt. Leider war es mir aufgrund meines Zeitplans dann nicht möglich, längerfristig Lektionen zu besuchen.
Fazit
Angst haben vor der Trauer muss man nicht. Jeder Kinderwunschweg ist anders, jeder Mensch ist anders, erst recht jedes Paar, und so ist es auch der Abschied vom Kinderwunsch. Manche berichten davon, dass ihr Abschied vom Kinderwunsch relativ sanft vonstatten ging.
Ein anderer Gedanke ist, dass man in einer sehr langen aktiven Kinderwunschzeit gewissermassen schon mal auf Raten getrauert hat, bevor man einen endgültigen Schlussstrich zieht. Man trauert jeden Monat neu, wenn es nicht geklappt hat. Eine Trauer auf Raten ergibt am Ende dann auch eine richtig grosse Trauer, wenn man alles zusammenrechnet, so dass es nachvollziehbar scheint, dass nach dem Schlussstrich unter die Kinderwunschbehandlung auch einfach nur Erleichterung kommt. Und sonst nichts.
Es ist alles okay, wie wir von Belle und Isa wissen. In der Trauer gibt es kein “zu viel” oder “zu wenig”. Meine Trauer ist in Ordnung so, wie sie ist. Eure auch.
Ein sehr schönes und liebevolles Buch zum Thema Trauer ist übrigens “Warum gerade du?" von Barbara Pachl-Eberhart. Danke an dieser Stelle einmal mehr an Belle und Isa für diesen Buchtipp!
Wie ist/war es bei Euch? Und was hat Euch geholfen?
Foto: Elaine
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