Über die Zeit
von Elaine, über Abschied vom Kinderwunsch, Heilsam, Hoffnung
Es ist der Wahnsinn. Seitdem ich zur Schule gehe, fliegt die Zeit nur so dahin. Teilweise ist es viel, die Wochen sind anstrengend. Ich bin müde, brauche auch immer mal wieder Ruhe. Ganz so viel Kraft wie vor dem Kinderwunsch habe ich noch nicht. Aber es kommt. Ich packe die Dinge wieder an. Nicht immer, aber immer öfter.
Das Leben geschieht wieder. Lange Zeit hatte ich das Gefühl, als wäre ich irgendwie beiseite genommen worden. Weil bei allen anderen das Leben geschah, währenddem ich wartete. Ich wartete lange. Zuerst monatelang. Dann jahrelang. Irgendwann wurde aus dem Warten ein aktiveres Dafür-Kämpfen. Für den Kinderwunsch. In Form von Arztterminen, Spritzen und anderem mehr. Hier hatte ich teilweise sehr das Gefühl, einen verborgenen Kampf zu führen, auch wenn meine Liebsten Bescheid wussten. Es war ja trotz allem etwas sehr Persönliches. Die Zeit verging, und irgendwie wurde sie zu meinem Feind. Schon wieder ein Monat vorbei und nichts. Ein Jahr vorbei und nichts.
Dann kam die Trauer. In der Trauer stand die Zeit plötzlich still. So ist das, wenn es einem nicht gut geht. Die Stunden und Tage, die Wochen ziehen sich in die Länge. Hier fühlte ich mich noch mehr beiseite genommen. Funktionierte nicht mehr so, wie ich es mich gewohnt war. Hielt bestimmte Dinge nicht mehr aus und mied sie. Verkroch mich zu Hause.
Dann wurde die Zeit wieder zu meiner Verbündeten. Sie verging. Und mit ihr heilten meine Wunden immer ein bisschen mehr. Aber es fühlte sich zuerst wie ein Kampf war. Ich kämpfte mich erst durch die Stunden, dann durch die Tage. Dann durch die Wochen und Monate. Bis es leichter wurde und die Zeit wieder schneller zerrann.
Mit dem Aufnahmeverfahren für mein Studium hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, mein Leben wieder in die eigenen Hände zu nehmen. Zuvor war da sehr viel Ausgeliefert-Sein, während Jahren. Es tat unglaublich gut. Etwas zu versuchen, und es gelang. Ich wurde aufgenommen.
Dann der Studienbeginn. Ich lernte neue Leute kennen. Lernte überhaupt. Viele tolle Dinge. Ich war manchmal frustriert, wenn mir etwas nicht gelang. Aber übers Ganze gesehen tut es mir unheimlich gut. Die Kinderlosigkeit rutscht etwas mehr in den Hintergrund. Ich lerne andere Menschen, andere Geschichten kennen. Umgebe mich mit solchen, die gleiche Interessen haben, ganz unabhängig von der Familiensituation. Das Studium hat es natürlich an sich, dass meine Mitstudenten und Mitstudentinnen nicht gerade kleine Kinder haben. Wenn, dann sind die Kinder schon erwachsen. Die meisten jedoch haben (noch) keine Familie.
Die Wochen verfliegen. Und das fühlt sich so normal an. “Was, in den Läden gibt es schon Weihnachtssachen?” Dieses Jahr hörte man diesen Satz nicht von mir. Nach allem, was ich durchgemacht habe, tangiert mich das bisschen Weihnachtsdeko im Oktober nun wirklich nicht. Vielleicht auch, weil ich dankbar dafür bin, dass die Zeit wieder so schnell vergeht, wie sie es früher schon getan hat.
Wie ist das bei Euch so mit der Zeit?
Foto: Elaine
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