Elaine ohne Kind

Über den Abschied vom Kinderwunsch und das Leben danach

Montag

24

Oktober 2016

Über die Zufriedenheit

von Elaine, über Ungewollte Kinderlosigkeit, Hoffnung, Heilsam, Weisheit

Letzthin fiel mir mal wieder ein Spruch in die Hände, den ich irgendwann in den letzten Jahren ausgedruckt hatte. Hier habe ich schon mal über meine Liebe zu Sprüchen geschrieben. Heute widme ich mich einem anderen Zitat, das mich seit längerem begleitet. Es stammt von Doris Mortman:

Until you make peace with who you are, you’ll never be content with what you have.

Übersetzt auf Deutsch heisst das:

“Bis Du Frieden schliesst damit, wer Du bist, wirst Du nie zufrieden sein mit dem, was Du hast."

Wie wahr! Kennt Ihr die Illusion, die da heisst “Wenn ich X hätte, dann ginge es mir gut. Wenn ich Y hätte, wäre ich glücklich.” Habt Ihr auch schon gemerkt, dass sich diese Hoffnung auf das Glücksgefühl, dieses Erfüllt-Sein auflöst, je näher man dieser Fata-Morgana kommt? Wenn ich dieses Auto hätte, wäre ich glücklich. Wenn ich mir diesen Urlaub leisten könnte, dann könnte ich mich entspannen. Was passiert? Irgendwann hat man das Auto tatsächlich. Und dann? Hat man doch bereits ein neues Traumauto, oder nicht? Es hört nie auf.

Als Single denkt man vielleicht: “Wenn ich einen Freund hätte, wäre ich glücklich.” Als Kinderlose: “Wenn ich ein Kind hätte, dann wäre alles gut.” Ich darf das schreiben, denn ich habe beides schon gedacht, selber. Bis ich irgendwann merkte, dass ich damit das Glücklich-Sein immer auf später verschob. Irgendwie zementierte ich damit mein momentanes Unglücklich-Sein. Natürlich konnte es mir jetzt nicht gut gehen, denn ich hatte ja keinen Freund! Bis mir irgendwann aufging, dass ich für mein Glück zu einem grossen Teil selbst verantwortlich bin. Warum auf dem Traummann warten, um glücklich zu sein?

Wisst Ihr, was der Witz war? Als ich ganz mit mir im Reinen war, zufrieden und soweit ganz glücklich, da kam auch der Mann. Dasselbe kann ich jetzt nicht von den Kindern sagen, denn da gab es ein paar medizinische Hindernisse. Aber auch in der Kinderlosigkeit merke ich, dass mein Glück viel mehr damit zu tun hat, wer ich bin als damit, was ich habe. Wenn ich zufrieden bin mit mir selbst, mich annehmen, akzeptieren, vielleicht sogar lieben kann, dann ist es auch leichter, die Umstände zu akzeptieren. Wenn ich mit mir selbst unzufrieden bin, werde ich auch mit dem, was ich habe, nie zufrieden sein. Ich gönne mir neue Schuhe, aber sie machen mich nicht glücklich. Und so kann es immer weitergehen auf dieser Jagd des “Wenn… dann…”. Das Ziel löst sich auf, sobald ich es erreiche. Wie die Fata-Morgana. Also, ich habe vielleicht die neuen Schuhe, das tolle Auto oder den atemberaubenden Urlaub. Aber das Glück finde ich dadurch nicht.

Ich bin mir nicht mal so sicher, dass einfach alles gut wäre, wenn ich ein Kind hätte. Hand aufs Herz: Ich weiss nicht, wie gut ich die schlaflosen Nächte vertragen würde. Ob ich vielleicht nicht in eine postnatale Depression fallen würde. Und ob ich mich der Wunsch, einen Fuss im Berufsleben zu halten, währenddem ich Kinder grossziehen würde, nicht zerreissen, ausbrennen würde. Ich weiss nicht, wie gut meine Ehe noch wäre. Wie viel Zeit und Aufmerksamkeit ich meinem Mann noch widmen würde. Hätte ich Kinder, dann hätte ich andere Probleme. Da bin ich mir ziemlich sicher.

Ich bin ganz viele Dinge: Emotional. Nachdenklich. Naturbegeistert. Durchschnittlich aussehend. Zuverlässig. Und vieles andere mehr. Und ich bin okay so. Der Abschied vom Kinderwunsch und die damit verbundene Trauer haben mich vieles gelehrt. Selbstannahme. Selbstliebe. Ja. Meine innere Haltung gegenüber mir selbst ist heute viel mehr so, wie sie gegenüber anderen Menschen auch ist. Nicht mehr so, wie sie früher war. Da war ich unerbittlicher. Selbstkritischer. Und manchmal war ich da recht hart mit mir selbst. Kennt Ihr das auch? Im Abschied vom Kinderwunsch konnte ich mir diese Härte gegenüber mir selbst nicht mehr leisten. Da musste ich auf mich selbst Rücksicht nehmen. Mir Sorge tragen. Und das hat positive Auswirkungen, bis heute.

Je länger je mehr kann ich sagen: Ich bin kinderlos. Und es ist okay so. Vor einem Jahr hätte ich mir nicht vorstellen können, dass ich das je schreiben würde. Da war noch alles anders. Aber heute bin ich hier, genau an diesem Ort. Und ich bin dankbar dafür. Auch wenn es nach wie vor schlechte Tage gibt. Der Grundtenor ist anders. Zufriedener.

Foto: Elaine

Elaine

lebt in der Schweiz. Sie liebt die Natur, besonders im Frühling. Sie mag Spaziergänge, Wanderungen, die Berge, das Meer, Bücher, Kunst, Flohmärkte, Brockenhäuser.

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