Elaine ohne Kind

Über den Abschied vom Kinderwunsch und das Leben danach

Mittwoch

26

Oktober 2016

Ungehört

von Elaine, über Abschied vom Kinderwunsch, Gesellschaft, Tabu

Unsere Trauer ist etwas Unangenehmes für die Leute in unserem Umfeld. Es mag mir sehr viel besser gehen als vor einem Jahr, aber das bedeutet nicht, dass ich von jetzt an so tue, als wäre nichts gewesen.

Heute musste ich wieder die Erfahrung machen, dass manche Leute meine Trauer nicht aushalten können oder wollen. Wenn ich sage, dass es mir Weihnachten letztes Jahr schlecht ging, kommt zurück: “Aber jetzt geht es dir besser?”. Als würde man von der Trauer nichts hören wollen, als müsse man das Negative immer verschweigen. Als stünde nicht schon bald das nächste Weihnachten vor der Tür. Als wäre jetzt alles in Ordnung, weil ich das Schlimmste hinter mir habe.

Ja, es geht mir besser. Und trotzdem macht mich dieser Satz wütend. Alles, was ich in diesem Moment hätte hören wollen, wäre eine Bestätigung gewesen, dass sich die andere Person bewusst ist, dass Weihnachten für eine ungewollt Kinderlose schwierig sein kann. Aber nein. Solche Sätze kennt man in unserer Gesellschaft gar nicht. Man verdrängt. Verneint. Weil man sich nicht damit auseinander setzen möchte. Man übergeht die Aussage. Und tut so, als wäre ja jetzt alles gut.

Trauer ist ein Tabuthema. Man weiss, dass es sie gibt, und Verständnis bringt man denen entgegen, die einen eindeutigen Verlust erleiden. Wenn jemand stirbt zum Beispiel. Aber auch da ist die Geduld des Umfelds nicht unendlich. Irgendwann möchte man das Traurige, das Schwere nicht mehr hören. Noch extremer ist das bei einem uneindeutigen Verlust wie dem Abschied vom Kinderwunsch. Hier trauert man schon zu einem grossen Teil im Versteckten. Weiht vielleicht seine engsten Angehörigen und Freunde ein. Aber sonst ist man für sich. Unterstützung gibt es keine. Anerkannt wird die Trauer kaum. Und wenn es einem besser geht, dann hat man dauerhaft in diesem “Besser-Zustand” zu bleiben. Wehe, es kommt eine neue Trauerwelle…

Das bringt mich einmal mehr darauf zurück, dass wir letzten Endes nur von einander verstanden werden. Damit meine ich: von solchen, die im gleichen Boot sitzen und auch keine Kinder bekommen können. Wir brauchen einander. Die anderen, so lieb, so einfühlsam und so wohlmeinend sie uns auch begegnen möchten, tun uns Unrecht. Und Unrecht führt zu Wut.

Ich gehe dann mal joggen. Irgendwo hin muss ich schliesslich mit meiner Wut.

Foto: Elaine

Elaine

lebt in der Schweiz. Sie liebt die Natur, besonders im Frühling. Sie mag Spaziergänge, Wanderungen, die Berge, das Meer, Bücher, Kunst, Flohmärkte, Brockenhäuser.

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