Veränderungen
von Elaine, über Ungewollte Kinderlosigkeit, Heilsam, Hoffnung, Trauer
Manche Veränderungen kommen unmerklich. Wenn sie einem dann bewusst werden, ist man verblüfft.
Zwei Jahre lang habe ich mich mit dem Thema Trauer auseinandergesetzt, weil ich mehr darüber erfahren wollte. Mir war sehr bewusst, dass ich davon keine Ahnung hatte. Die Trauer ist nicht nur in der Kinderlosigkeit ein Tabuthema, sondern auch sonst! Zumindest, wenn die dafür von der Gesellschaft vorgesehene Zeit abgelaufen ist.
Vor ein paar Wochen zeigte das Schweizer Fernsehen diesen Dokumentarfilm über eine Familie, die ihre Mutter verloren hatte. Ich sagte zu meinem Mann: Den müssen wir uns unbedingt ansehen! Alles, was solche Tabus bricht, finde ich gut. Leider klappte es an dem Tag nicht. Später, als wir Zeit hatten, merkte ich, dass sich in mir Widerstand regte. Ich wollte den Film gar nicht mehr sehen. Warum?
Die Antwort ist vermutlich, dass die Trauer - zumindest in ihrer akuten Phase - inzwischen hinter mir liegt. Klar, kleinere Wellen können immer noch auftreten. Ich habe das Thema nicht ein für alle Mal abgehakt. Aber das letzte Mal, als mir die Tränen kamen, hatte das überhaupt nichts mehr mit meiner Kinderlosigkeit zu tun. Da ging es um völlig anderes. In dem Moment merkte ich, dass ich eigentlich schon länger nicht mehr geweint hatte. Eine erstaunliche Erkenntnis, hatte ich doch phasenweise den Eindruck gehabt, in meinem eigenen Tränenmeer buchstäblich zu ertrinken. Heute mag ich mich nicht mehr aktiv mit einem Thema auseinandersetzen, das scheinbar hinter mir liegt. Oder über das ich inzwischen für meine Bedürfnisse wohl auch genug weiss. Daran habe ich phasenweise genug gearbeitet. Ich habe Lust auf Fröhliches. Lustiges. Schönes. Oder einfach auf andere Themen. Ich setze mich lieber mit Neuem auseinander, und witzigerweise wird genau das inzwischen an mich herangetragen, ohne dass ich mich dafür anstrengen muss. Vielleicht, weil ich jetzt bereit bin dafür? Ich lerne neue Leute kennen. Spannende Persönlichkeiten, starke Frauen. Und es besteht gar die Möglichkeit, demnächst eine wunderhübsche Wohnung von einer Bekannten übernehmen zu können. Tatsächlich wurden uns in den letzten Wochen mehrere Wohnungen angeboten - einfach so, ohne dass wir danach gesucht hätten! Noch ist allerdings nichts entschieden. Ihr seht jedoch: das alles richtet sich mehr nach aussen und nach vorne als nach innen, wie in der Trauer.
Veränderungen. Eigentlich sind sie etwas Gutes. Sie können auch anstrengen, aber es fühlt sich gleichzeitig so… gesund an. Stillstand ist schwieriger. Zumindest auf längere Sicht. Oder nicht?
Foto: Elaine
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