Elaine ohne Kind

Über den Abschied vom Kinderwunsch und das Leben danach

Samstag

18

August 2018

Von den eigenen Grenzen

von Elaine, über Abschied vom Kinderwunsch, Selbstfürsorge, Heilsam

Hallo Ihr Lieben!

Wie geht es Euch so? Wie war Eurer Sommer bisher? Meiner war intensiv, wunderschön, oft hitzig im wahrsten Sinne des Wortes, aber zwischendurch auch mal faul und unproduktiv… eine ganz gute Mischung, finde ich.

Ich möchte heute zurückkommen auf den letzten Text vom Juni. Wie Ihr vielleicht in den Kommentaren zum Post Küchengeschichten schon gesehen habt, gab es da einen sehr schönen Austausch zum Thema Perfektion und Ressourcen. flechadora hat ein paar ganz wunderbare Sachen dazu geschrieben, die ich hier gerne aufnehmen würde.

Wie viele von Euch sind Perfektionistinnen? Oder anders gefragt: wer möchte sehr oft gerne die Erwartungen der anderen erfüllen? Ich bin so eine, oder vielleicht sollte ich besser sagen, war eine. Je mehr sich mein Leben seit der erfolglosen Kinderwunschbehandlung und der grossen Trauer wieder normalisiert, desto mehr stehe ich in Gefahr, wieder ein Opfer des Perfektionismus zu werden. In den schwierigsten Phasen der akuten Trauer ging das gar nicht. Da musste ich zusehen, dass ich über die Runden kam. Was andere von mir dachten, war mir zu dem Zeitpunkt ziemlich egal. Wichtig war, es morgens aus dem Bett zu schaffen. Und den Tag zu überstehen. Den Schmerz auszuhalten. Und meine Arbeit zu erledigen, mit der ich mein Geld verdiente. Das war schon viel. Aber ich wollte natürlich auch, dass es mir wieder besser ging. Und dadurch lernte ich nach und nach, meine Ressourcen einigermassen weise zu verwalten, meine Zeit so zu nutzen, dass ich mich erholen und wieder an Kraft gewinnen konnte. Zum Thema Selbstfürsorge habe ich schon einiges geschrieben. Weil das für mich ein sehr wichtiger Faktor war, der mir dabei half, wieder heil zu werden. Tatsächlich wurde mir erst in den letzten Jahren so richtig klar, dass wir am Ende des Tages für unser Glück selbst verantwortlich sind. Mein Mann ist nicht dafür zuständig, dass es mir gut geht. Das bin in erster Linie ich. Und wenn das bedeutet, dass ich regelmässig spazieren oder joggen gehe (oder irgendetwas sonst), dann ist es eben genau das. Fertig. Eine sehr wertvolle Lektion, die ich vermutlich immer wieder mal anwenden werde, wenn ich an meine Grenzen komme.

Jeder Mensch hat diese Grenzen. Meist finden wir es nicht so schön, wenn wir an diese stossen, oder? Dabei geht es ausnahmslos allen so. Vielleicht nicht im genau gleichen Kontext – aber ist das wirklich so wichtig? “Wirtschaftlich mit den eigenen Ressourcen umzugehen”, wie flechadora so wunderbar schreibt, ist doch im Grunde eine Leistung der eigenen Art. Bewusst zu entscheiden, worauf man seine Energie verwendet oder eben nicht, bedeutet, dass wir ein Stück weit unser Leben selbst bestimmen. Dass die Dinge nicht einfach “mit uns passieren”. Wir dürfen Prioritäten setzen. Und DAS habe ich nun wirklich gelernt in den letzten Jahren. Ich habe es übrigens diesen Frühsommer wieder ganz neu anwenden dürfen, indem ich mich an der Schule aus zwei Kursen ausklinkte, als mir in der Abschlussphase alles über den Kopf zu wachsen drohte. Ich wollte mich auf meine Abschlussarbeit konzentrieren. Niemand wurde deshalb böse auf mich. Es ist sogar so, dass der Studienleiter an unserem letzten gemeinsamen Tag an der Schule erwähnte, nächstes Jahr würden sie die Abschlussmonate anders gestalten. Weil es am Ende nicht nur für mich zu viel Verschiedenes gleichzeitig gewesen war. Was bin ich froh, dass ich meine eigenen Grenzen rechtzeitig erkannt habe!

Wir sind Herdentierchen. Vielleicht erklärt das, wieso wir uns immer einen solchen Stress machen, alles perfekt hinzukriegen? Alle Erwartungen zu erfüllen, die vielleicht nicht mal da sind? Weil wir dazu gehören möchten, und das ist ja für uns als Kinderlose sowieso schon schwierig genug. Oder was meint Ihr?

Ich bin gespannt auf Eure Meinung :-).

Foto: Elaine

Elaine

lebt in der Schweiz. Sie liebt die Natur, besonders im Frühling. Sie mag Spaziergänge, Wanderungen, die Berge, das Meer, Bücher, Kunst, Flohmärkte, Brockenhäuser.

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