Elaine ohne Kind

Über den Abschied vom Kinderwunsch und das Leben danach

Freitag

26

August 2016

Vorwärts, nicht zurück

von Elaine, über Isolation, Hoffnung, Heilsam, Abschied vom Kinderwunsch

Hattet Ihr früher auch Poesiealben? Während meiner obligatorischen Schulzeit hatte ich gleich mehrere davon. Ich bin nicht sicher, ob sie irgendwo im Keller noch existieren oder ob ich mich bereits von ihnen getrennt habe. Wie auch immer… kürzlich, als ich joggen war, kam mir einer der Sprüche aus einem Poesiealbum in den Sinn:

Schau vorwärts, nicht zurück - neuer Mut ist Lebensglück

Damals sagte mir dieser Spruch nicht allzu viel. Jetzt hingegen schon. Ist es nicht merkwürdig, wie unser Gehirn manchmal Dinge abspeichert über Jahrzehnte, um sie dann plötzlich im richtigen Moment in unser Bewusstsein treten zu lassen?

Vorwärts, nicht zurück. Ja, das passt. Unser Urlaub im August war wie eine Linie für mich. Ich hatte schon zuvor das Gefühl, dass es mir besser ging. Da gab es verschiedene Momente. Einer davon war jener, in dem ich neue Pläne für meine Zukunft schmiedete. Ich spürte sofort, wie gut mir das tat, und wie ich mich neu ausrichtete. Und nun eben dieser Urlaub. Hier überschritt ich die Grenze zwischen “es geht mir besser” und “es geht mir richtig gut”. Plötzlich war ich wieder offen für andere. Fragte interessiert nach. Liess mich auf ihre Geschichten ein. Auf die Geschichten von Menschen, die ich nie zuvor gesehen hatte und die mir vermutlich auch nie wieder begegnen werden. Wie das im Urlaub meistens so ist. Ich genoss den Reichtum, den ich dadurch erfuhr. Ist es nicht unglaublich, wie unterschiedlich und spannend Menschen sein können?

Davor - ich gebe es zu - war mein Leben ein recht zurückgezogenes. Was damit zu tun hat, dass wir während der aktiven Kinderwunschzeit umgezogen sind, so dass ich hätte in neue Freunde investieren müssen. Die Behandlung sorgte dafür, dass ich dafür keine Kraft hatte. Später kam dann die Trauer, die für noch mehr Rückzug sorgte. Was nicht verwunderlich ist, wenn das gesamte Umfeld Kinder hat und man dem, was einen gerade sehr schmerzt, auf Schritt und Tritt begegnen muss. Ich fand mich damit ab, zum Teil. Und doch waren da auch Tage, an denen ich mich einsam fühlte. Ich wusste, dass ich nicht die Kraft hatte, auf andere zuzugehen. Also blieb es so, wie es war. Abgesehen von Familie und langjährigen Freunden war mein Leben ziemlich ruhig.

Dann der Urlaub. Es ist ein bisschen, als hätte ich ein zweites Leben. Auch, weil nach dem Urlaub ein neuer Abschnitt begonnen hat: ich gehe wieder zur Schule.

Und ja, es ist so: ich schaue nach vorn, nicht zurück. Der Trauer habe ich mich gewidmet in ihrer ganzen Tiefe, als sie da war. Vielleicht besucht sie mich wieder - ich vermute, dass sie das wird. Aber ich weiss, dass ihre Besuche angenehmer werden.

Ich werde hier noch darüber schreiben, über die Trauer. Weil ich denke, dass es wichtig ist, Dinge auszusprechen, über die meist geschwiegen wird. Aber ich habe auch vor, mich zunehmend dem Neuen in meinem Leben zu widmen. Was automatisch geschehen wird, rein schon zeitlich durch den neuen Stundenplan.

Ich freue mich!

Foto: Elaine

Elaine

lebt in der Schweiz. Sie liebt die Natur, besonders im Frühling. Sie mag Spaziergänge, Wanderungen, die Berge, das Meer, Bücher, Kunst, Flohmärkte, Brockenhäuser.

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