Elaine ohne Kind

Über den Abschied vom Kinderwunsch und das Leben danach

Montag

17

März 2025

Wie eine gute Freundin

von Elaine, über Abschied vom Kinderwunsch, Trauer, Selbstfürsorge

Seit siebeneinhalb Jahren hängt über meinem Bett eine Karte, auf der steht: “Treat yourself as you would a good friend”. Auf Deutsch: Behandle dich selbst wie eine gute Freundin. Der Spruch ist in wunderschönen Lettern in eine grüne Teekanne hineingemalt, die wohl für Selbstfürsorge stehen soll.

Damals las ich auf Sarahs und Phoenix’ Blogs von ihren inneren Dialogen und war zu Tränen gerührt. In mir wuchs eine grosse Sehnsucht danach, eines Tages ebenso freundlich mit mir selbst umgehen zu können, wie sie es taten.

Wenn ich ehrlich bin, so lebte ich bis zu meinem 31. Lebensjahr so ziemlich von aussen nach innen. Die strenge konservative Erziehung meiner Eltern und alles, was Schule, Universität und meine ersten Arbeitsstellen mich lehrten, lief auf dasselbe hinaus: erfülle die Erwartungen der anderen, dann sind alle zufrieden.

In unserem ersten Ehejahr begann ich zu merken, dass das irgendwie nicht mehr funktionierte. Ich verbog mich so sehr, versuchte so sehr, die zu sein, von dem ich dachte, dass mein Umfeld es erwartete, dass meine Psyche anfing Schaden zu nehmen. Ich weiss noch, wie ich damals gerade noch rechtzeitig die Kurve kriegte. Mich daran erinnerte, was ich mochte, was mir gut tat. Und worin ich selbst gut war. Das war der erste Schritt hin zu mehr Eigenverantwortung.

Die grösste Lektion jedoch kam durch die ungewollte Kinderlosigkeit und den Abschied vom Kinderwunsch. In der akuten Trauer realisierte ich relativ bald, dass ich dem Schweren und Kräftezehrenden ein Gegengewicht geben musste. Ich lernte, diszipliniert zu sein in meiner Selbstfürsorge. Spazieren zu gehen, auch wenn ich keine Lust darauf hatte, weil ich wusste, dass es mir danach in den meisten Fällen besser gehen würde. Oder meine Kamera zu schnappen und draussen auf die Suche nach dem Schönen zu gehen. Weil der Fokus auf das Positive eine grosse Wohltat war. Das sind nur zwei Beispiele. Am Ende habe ich mich selbst durch viele kleine Massnahmen quasi selbst gerettet. Dieser Blog war eine dieser Massnahmen.

Parallel dazu litt ich immer noch unter der unerbittlichen inneren Stimme, die mich tadelte. Dafür, dass ich mich nicht mit den schwangeren Frauen in meinem Umfeld freuen konnte. Dafür, dass ich nicht mehr die Kraft hatte für Babysitting oder dafür, für meine Freundinnen mit kleinen Kindern zu kochen. Dafür, dass ich mich zurückzog und schützte vor der ständigen Konfrontation mit dem, was ich nie haben würde. Ich hätte so gerne dazu gehört, wäre gerne gewesen wie alle anderen! Und doch konnte ich es nicht. Mit mir selbst nachsichtig zu sein in dieser Situation, das lernte ich nur langsam.

Am Ende waren es die wohlwollenden Stimmen meiner Atemtherapeutin und der Psychologin, von denen ich das Gegenteil lernen durfte. Sie begannen die Strenge der inneren Stimmen zu überlagern, die meine Eltern, Lehrer und ersten Chefs hinterlassen hatten. Auf einmal war es gar nicht mehr so schwer. Ich lernte meine eigenen Bedürfnisse und Grenzen zu spüren. Ich konnte dazu stehen. Und dankbar dafür sein, wenn es mir gelang, mir Freiräume zu schaffen, zum Beispiel während der Periode. Ich kann Euch sagen, dass ich diese Tage sehr unterschiedlich erlebe, je nachdem, ob ich es mir erlauben kann, nach Feierabend gemütlich daheim auf dem Sofa zu liegen und zu lesen, oder ob ich den Kalender so voll habe, dass ich Schmerztabletten einwerfe wie andere Smarties, nur um zu funktionieren.

Warum schreibe ich das hier?
Einerseits aus Dankbarkeit. Weil es wunderbar ist, dass ich diesen wohlwollenderen Umgang mit mir selbst habe lernen dürfen. Es macht mich demütig.
Und andererseits, um Euch Mut zu machen.

Falls Ihr noch strenge, unnachgiebige innere Stimmen habt, die Euch plagen: es gibt Hoffnung. Denn wenn ich es heute schaffe, mir selbst zu begegnen wie einer guten Freundin, dann könnt Ihr das ebenfalls. Vielleicht braucht es etwas Zeit. Bei mir ging das ja auch nicht von einem Tag auf den andern. Aber es ist auf jeden Fall möglich <3.

Foto: Elaine

Elaine

lebt in der Schweiz. Sie liebt die Natur, besonders im Frühling. Sie mag Spaziergänge, Wanderungen, die Berge, das Meer, Bücher, Kunst, Flohmärkte, Brockenhäuser.

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