Elaine ohne Kind

Über den Abschied vom Kinderwunsch und das Leben danach

Donnerstag

10

April 2025

Zehn Jahre

von Elaine, über Abschied vom Kinderwunsch, Ungewollte Kinderlosigkeit, Trauer, Hoffnung, Heilsam

Vor zehn Jahren endete unser letzter Behandlungszyklus im Kinderwunschzentrum, ohne dass ich schwanger geworden wäre.

Zehn Jahre ist das her. Ich kann es fast nicht glauben. Und doch macht es Sinn. Wenn ich mich jetzt daran zurückerinnere, wie erschöpft, enttäuscht, traurig und wütend ich war, tue ich dies nur noch in meinem Kopf. Es liegt so viel Distanz zwischen damals und heute, dass ich mich emotional nicht mehr dahin zurückversetzen kann. Und das ist gut so!

Ich erinnere mich an die anfängliche Erleichterung, weil die vielen Arzttermine wegfielen und ich wieder mehr Zeit hatte. Ich buk zum Beispiel einfach mal spontan einen Kuchen – etwas, woran in der Behandlungszeit nicht zu denken gewesen wäre. Darauf folgte aber eine tiefe Trauer, die mir alles abverlangte. Ungefähr ein Jahr lang befand ich mich praktisch im Überlebensmodus. Ich habe schon andernorts geschrieben, dass ich mich fühlte wie im Schleudergang einer Waschmaschine. Ich weinte. Viel und oft. Ein Zentner lag auf meiner Brust. Und ich hatte ein Redebedürfnis, das meinem Mann bald zu viel werden sollte.

Nach einigen Monaten gönnte ich mir 2-3 Termine bei einer Psychologin. Das war sehr beruhigend. Ich lernte, mir mit Kleinigkeiten Sorge zu tragen. In der Mittagspause konnte das ein Nickerchen auf der Parkbank sein. Wenn es auf Arbeit stressig wurde, eine Toilettenpause. Bei geöffnetem Fenster kurz durchatmen. Abends eine Tasse Tee trinken, aus dem Fenster schauen und sonst nichts tun. Aber das reichte nicht. Im Herbst landete ich bei der Hausärztin, weil ich kaum mehr schlafen konnte, Gewicht verloren hatte und ständig krank war. Entweder würde ich für mehrere Wochen krankgeschrieben oder ich musste mein Leben grundlegend verändern. Kinderwunschbehandlung und Trauer hatten mich komplett erschöpft.

Mit viel moralischer Unterstützung durch meinen Mann trat ich die Flucht nach vorne an: Ich bat meine Chefin um eine Reduktion meines Pensums, versuchte mich dann erst etwas zu erholen und bewarb mich anschliessend für eine gestalterische Ausbildung. Ich brauchte ein neues Ziel, einen neuen Fokus. Etwas, was den Blick weglenkte von dem, was ich nicht haben konnte. So kam mein Arztzeugnis am Ende gar nicht zum Einsatz. Und ab August des Folgejahres drückte ich wieder die Schulbank, wenn auch nur in Teilzeit.

Das tat mir gut. Ich ging mit anderen Augen durch die Welt, lernte neue Menschen kennen und auch die grauen Zellen waren wieder etwas gefordert. Die Trauer nahm ich am Anfang noch überall hin mit, aber sie erdrückte mich nicht mehr. Und dann, nach zwei oder drei Jahren, war sie sehr viel leiser geworden.

Nach und nach erschuf ich mir meine eigene Welt. Wie sollte mein Alltag aussehen? Wer wollte ich sein? Womit mein Geld verdienen? Mit welchen Menschen wollte ich mich umgeben? Wo wohnen? Die Veränderungen ergaben sich mit der Zeit. Wenn man seine Gehrichtung auch nur um einen kleinen Winkel dreht, kommt man nach einigen Jahren an ein ganz anderes Ziel. Das braucht zwar Geduld, aber wenn man einen Fuss vor den anderen setzt, kommt man durchaus vorwärts!

Eine grosse Hilfe waren mir dieser Blog und die wertvollen Menschen, die ich dadurch kennenlernen durfte. Zuerst online, später zum Teil auch im “richtigen Leben”. Das Verständnis und die Solidarität dieser Frauen, die mich noch nie gesehen hatten, aber genau wussten, wie es mir ging, war vor allem am Anfang essentiell, da in meinem Umfeld damals praktisch alle Kinder hatten. Ein riesiges Dankeschön also an dieser Stelle an die wunderbaren Menschen aus der Blogosphäre und auch an Euch, liebe Leserinnen und Leser. Jeder Kommentar hat/te eine Wirkung!

Es ist gut, dass ich das Schwierige niederschrieb, als es akut war. Heute scheint das meiste so weit weg, dass ich es gar nicht mehr könnte. Die Tatsache, dass ich keine Kinder habe, beschäftigt mich weitaus weniger als damals. Das sieht man auch an den Texten hier. Falls Ihr also am Anfang einer ähnlichen Reise steht, dann hoffe ich, dass Euch meine Geschichte Mut machen kann.

Wie sieht es bei Euch aus?
Wie lange ist es her seit dem “Schlussstrich”?
Und wie geht es Euch heute?

Foto: Elaine

Elaine

lebt in der Schweiz. Sie liebt die Natur, besonders im Frühling. Sie mag Spaziergänge, Wanderungen, die Berge, das Meer, Bücher, Kunst, Flohmärkte, Brockenhäuser.

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