Elaine ohne Kind

Über den Abschied vom Kinderwunsch und das Leben danach

Mittwoch

19

Oktober 2016

Zur Ruhe kommen

von Elaine, über Selbstfürsorge, Heilsam

Die Kinderwunschbehandlung und die darauf folgende Trauer führten bei mir zu einem Art Erschöpfungszustand. Es kam der Zeitpunkt, an dem ich Erholung dringend nötig hatte. Ein Urlaub half mir jedoch nicht. Leider. Ich hatte es versucht. Nein, ich brauchte die Erholung jeden Tag. Ich musste lernen, in meinem Alltag Momente zu finden, in denen ich zur Ruhe kommen konnte. Ich schreibe mal auf, was ich so gemacht habe:

Abends am Fenster sitzen und zusehen, wie die Dämmerung einsetzt.
Einen Tee trinken und dabei die warme Tasse zwischen den Händen spüren.
Einen Spaziergang machen.
Ein ruhiges Musikstück hören. Und sonst nichts.
Die Nachbarkatze streicheln und mich daran freuen, dass sie schnurrt. Wegen mir.
Malbücher für Erwachsene ausmalen.
Tagebuch schreiben.
Meditation. Eine Gedankenreise. Oder ein Gebet (je nach Gesinnung).

Ich musste lernen, nicht den ganzen Tag non-stop betriebsam zu sein. Pausen einzubauen, auch wenn der Tag vollgepackt scheint und ich dauernd von Menschen umgeben bin. Ebenso musste ich lernen, mich nicht von den Bedürfnissen anderer lenken zu lassen, sondern auf MICH zu hören. Auf das, was ich gerade brauchte, ohne mich dafür zu entschuldigen. Zum Beispiel bedeutete das:

Auf Arbeit auf Toilette zu gehen und tief durchzuatmen.
In der Mittagszeit eine einsame Parkbank aufzusuchen. In die grünen Baumkronen zu schauen.
Abends nicht nahtlos weiterzumachen mit Kochen und Hausarbeit, sondern ruhig zu werden.
Die kleinen Dinge zu geniessen.
Leerläufe zuzulassen.
Bei der Zugfahrt nicht ständig mit dem Mobiltelefon zu hantieren. Aus dem Fenster zu sehen. Und sonst nichts.

Wir möchten so gerne effizient sein. Ich glaube aber, dass ein bisschen Ineffizienz das Leben schöner macht. Und gesünder. Wir müssen auch mal einfach sein können, und das nicht nur während zwei Wochen im Jahr, in unserem hart verdienten Urlaub irgendwo an einem Strand zusammen mit einer Million anderer Menschen, sondern jeden Tag. Jede Woche. Jeden Monat.

Muss ich wirklich beim Frühstück meine Mails checken? In der Mittagspause auf mein Mobiltelefon sehen? Abends auf dem Heimweg Nachrichten verschicken? Nö, ich muss gar nichts. Ich kann bestimmen, wie es läuft in meinem Leben. Ich kann dafür sorgen, dass ich zur Ruhe komme. Dass es mir gut geht. Oder zumindest ein Stück besser.

Foto: Elaine

Elaine

lebt in der Schweiz. Sie liebt die Natur, besonders im Frühling. Sie mag Spaziergänge, Wanderungen, die Berge, das Meer, Bücher, Kunst, Flohmärkte, Brockenhäuser.

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